Das Frankfurter Würstchen – mit Senf…

Donnerstag. 18.43 Uhr. Frankfurt Hauptbahnhof. Gleich neben dem Infopoint der Deutschen Bahn AG gibt es eine Würstchenbude – ja so nannte man das zu meiner Jugendzeit, heute heißt das moderner „Bistro“… – hier kann man sich den Senf selbst auf’s Würstchen tun, self catering, sozusagen.

18:46 Uhr. Bei „Yormas“ in München sind die Würstchen zwar billiger, aber die hier haben das echte King-Size-Format. „Das große, bitte… Oooh, ihr habt ja die Preise gesenkt.“  Ja, auch das gibt es heute noch. Keine Antwort. Vielleicht hat hier doch irgendwo ein „Yormas“ als Konkurrenz aufgemacht?

18:47 Uhr. Ganz viel Senf. Kein Ketchup, self catering. Das aus dem Brötchen herausragende Wurstende schmeckt schon mal ausgezeichnet. Die Reise kann also ohne nach-tagungsmäßigen Hunger über die Bühne gehen. Angenehmes Leben.

18:48 Uhr. Gleis sieben. Aber vorne in Abschnitt C, bitte. In Nürnberg wird der Zug geteilt. Etwas hektisch bewege ich mich voran. Platzreservierung habe ich mir schon lange abgewöhnt.

18.50 Uhr. Der ICE nach München rollt ein. Inwzischen ist das Würstchen außerhalb des Brötchens restlos abgeknabbert. Der Senf hat sich bedrohlich zum Brötchenrand vorgearbeitet. Mir fehlt wohl das richtige Händchen.

Erstaunlich früh ist die Bahn heute, finde ich. In der linken Hand den Trolley, rechts das Würstchenbrötchen eingehüllt in die Serviette, auf dem Rücken der Rucksack, der mit zunehmendem Laufschritt immer etwas mehr verrutscht. Ich schiebe ihn zurück.

18:51 Uhr. Wagen 22 wird gemeinsam mit gefühlten Hundertschaften von Reisenden geentert. „Ist hier noch frei?“ „Dann wird’s hier am Tisch sehr aber eng“, meint der nette Herr. Ist halt so, wenn der Zug voll ist. Vielleicht stört ihn mein duftendes Wurstbrötchen mit der Senfbedrohung. Nur jetzt nicht kleckern! Ich gehe weiter, da ist noch ein Platz ohne Tisch. Das sollte für heute auch reichen. Ich will sowieso telefonieren.

18:53 Uhr. Trolley verstaut, Handy an die Freisprechanlage gekoppelt, Laptop angeschlossen. Jetzt ist sogar das Brötchen selbst schon kleiner geworden, ohne Kleckern. Ich bin stolz auf mich.

18:54 Uhr „Wäällkamm on Boooaad off sie Ai Ci Iiii sickshandräd-irgendwas“. Das Englisch der Zugchefs ist fast auf jeder Reise ein echter Genuss. Diesmal unverkennbar Nürnberger Akzent, finde ich.

18:55 Uhr. Der Zug rollt schneller. Noch zwei Bissen, dann sollte es kleckerfrei geschafft sein.

18:55 Uhr und 30 Sekunden: Flatsch. Klecker. Frust. Die grüne Farbe des Hemds eignet sich hervorragend als sorgfältige Tarnung für den etwa 10 Quadratzentimeter großen Senffleck. Das Papiertaschentuch behebt den Schaden nur notdüftig, Ärger will aufsteigen. Nein, nicht ärgen, Aufdemhoff! Warum die Reise von einer Kleinigkeit verderben lassen?

22:10 Uhr, superpünktlich in München. Auch das gibt es bei der Bahn. Man könnte sich ja auch mal dafür bedanken. Sichere Reise, keinen Stress, keinen Stau, viele Telefonate geführt, gutes Handynetz, Strom im Zug, Akku nicht leer – nur ein Senffleck zum Gedächtnis. Und der ist nicht mal Schuld der Bahn…

Die notdürftige Beseitigung des Flecks in der Zugtoilette hat zwar einen deutlichen Ring hinterlassen,  der ist aber inzwischen getrocknet. „Senk ju vor träwelling wiss Deutsche Baaahn.“ Der Nürnberger ist immer noch im Dienst.

Die bedanken sich jedenfalls. Ich könnte es eigentlich auch tun. Beim Flugzeugausstieg steht immer die Chefstewardess oder der Pilot. Da liegt es fast nahe es zu tun.

Dankbar sein in allen Dingen. Bei Pünktlichkeit – und auch bei Verspätung. Ärger drückt meistens die Stimmung, auch wenn’s nur der Senf ist.

Da las ich doch unlängst von einem Journalisten, der sich bei Bahnchef Grube für dessen Mitarbeiter bedankte und dann vom Bahnchef zum Essen in die Bahnzentrale nach Berlin eingeladen wurde. Vielleicht lädt er mich auch mal ein. Da gibt’s bestimmte keine Würstchen mit Senf…

Lektion für heute: Dankbarkeit ist eindeutig besser. Es lebt sich einfach besser.

Leider fällt mir das mit dem direkten Sich-Bedanken zu spät ein. Nächstes Mal will ich mir Mühe geben.

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