Brennesseln bis zu den Ohren!

„Wir brauchen das Gebet als ein Geschenk von euch. Ja, wir brauchen eure finanzielle Unterstützung, aber viel mehr brauchen wir euer Gebet“. Vor der Bühne der BFP-Konferenz steht eine große Zahl von Menschen. Lehrer und Studenten von BERÖA präsentieren sich der Konferenz. Dazu kommen alle Mitarbeiter des Theologischen Seminars, die Gastlehrer, die Mitglieder des TSB-Kuratoriums. Dr. Rudi Fichtner und Marcel Locher, Lehrer am TSB, leiten die Feier zum 60. Jubiläum des Seminars. Sie laden bewusst zum Gebet für das Seminar und die nach vorne gerufenen Persönlichkeiten ein.

Große Teile der Konferenzversammlung strömen nach vorne, um zu dienen. Intensives gemeinsames Gebet, in Deutsch oder in Sprachen ist eine „Spezialität“ der Pfingstler, aber auch „individuelles Gebet“.  Segnendes Gebet, persönlicher Zuspruch, Fürbitte – prophetische Elemente sind bei solchen Gebetszeiten weithin zu finden.

Dann hat der prophetische Dienst ebenso in der ganzen Versammlung wieder breiten Raum. Das ist ein Phänomen pfingstlicher Gottesdienste. Prophetie ereignet sich, so wie Gott es will – und wie bewusst dem Wirken des Geistes Gelegenheit gegeben wird. Auch auf dieser Konferenz ist viel Raum dafür. Es ist ein Zusammenspiel zwischen göttlichen und menschlichen Komponenten. Auch an diesem Morgen geschieht starker Impuls durch den prophetischen Dienst, sowohl persönlich als auch für die ganze Gruppe. Bilder, prophetische Rede, Zungenrede und Auslegung: alles ist in Vielfalt und Reichtum da.

Frage nach dem Auftrag und Blick zurück
60 Jahre feiert das Theologische Seminar in 2011. Grund zum dankbaren Rückblick aber auch zum profilierten Ausblick. Was ist unser Auftrag? Welche Schwerpunkte müssen wir zukünftig setzen?

Ein Video-Clip mit Statements über die Bedeutung von BERÖA wird eingespielt. Professionell und überzeugend gemacht, obwohl an verschiedenen Orten im Land von verschiedenen Autoren gefilmt. Das Wichtigste: Menschen, die BERÖA durchlaufen haben, drücken aus, was ihnen die Bibelschule bedeutet.

Das „Herolds-Quartett plus 1“ lässt alte Zeiten wach werden. Besonders die Herzen der älteren Generation werden warm. Von BERÖA ausgegangen haben sie musikalisch im ganzen Land gedient. 2011 dienen die inzwischen gereiften Herren der Konferenz. In Pfingstgemeinden ist eine Breite musikalischer Stile willkommen – moderner Lobpreis in allen Varianten, der „klassische Pfingstjubel“, aber auch besinnliche Balladen – und Klassik. Auch sie hat an diesem Morgen Raum.

Ehemaliger Direktor Richard Krüger blickt zurück
Einer, der jahrelang BERÖA geprägt hat, ist Richard Krüger, ehemaliger Direktor in Erzhausen. Auf dem TSB ist Kirchengeschichte – und dabei besonders die neuere – eine Spezialität von ihm. Auch heute ist er als Lehrer und Redner noch hochgefragt. Einen Teil der Pfingstkirchengeschichte hat er inzwischen selbst mitgestaltet.

Er kann druckreif reden – ohne ein Konzept zu brauchen. Das beweist er auch an diesem Morgen. Leicht schmunzelnd konstatiert er, dass auch BERÖA seinen „Johannes Paul“ gehabt hat.  „Opa“ J.P. Kolenda, einer der prägenden Väter von BERÖA, war ausgesandt von den amerikanischen Assemblies of God.

Er malt geschickt mit der Sprache: „In Erzhausen brauchte man zu Beginn Ohrenschützer, um nicht von den Brennesseln Schmerzen an den Ohren zu bekommen.“ Opa Kolenda hatte eine Vision für die Errichtung der Bibelschule in Erzhausen. „Bist du darin, Herr?“ war seine Frage, als er in „Froschhausen“, wie er es zunächst fälschlich verstanden hatte, das Grundstück der heutigen Bibelschule besichtigte.

Gott war darin! Aus der alten Industrieruine in der Erzhausener Industriestraße wurde durch den Fleiß und den Einsatz vieler Generationen ein Anwesen, das heute mehr als sehenswerten Charakter hat. „Viele Menschen haben hier ihren Schweiß eingebracht. Wir stehen auf den Schultern von vielen Generationen, die sich investiert haben.“

BERÖA, das ist aber nicht in erster Linie das Gebäude, das sind Menschen, mit denen Gott sein Reich baut. Für die Pfingstbewegung in Deutschland hatte das Theologische Seminar eine stark integrative Funktion. Sie hat sich zum Herzstück des BFP entwickelt. Bewegungen, die nicht in eine Bibelschularbeit investiert haben, haben lange nicht die Entwicklung genommen, die der BFP genossen hat. Das wird dankbar wahrgenommen.

Spende aus den USA
Ein starker Blick wird auch an diesem Morgen nach Amerika gerichtet. Die Assemblies of God haben einen Blick für Deutschland gehabt und deswegen in Deutschland investiert. Paul Clark, Deutschlandleiter für die Missionare der Assemblies of God, grüßt im Namen der amerikanischen Geschwister. Einen Scheck über 8000 EUR kann er im Namen der Deutschlandmissionare für den Ausbau der Bibliothek überreichen. „Ich hoffe, dass jede Gemeinde schon etwas als Geburtstagsgeschenk für die Bibliothek überwiesen hat“.  Dankbar gibt der BFP die Grüße nach Amerika zurück: Was wäre aus BERÖA geworden ohne die (Anfangs-)Investitionen durch die amerikanischen Freunde?

Abschied von Günter Karcher
Dann muss noch einmal Abschied genommen werden: „Wir gedenken unseres Bruders, Freundes und Kollegen Günter Karcher.“ Der BFP nimmt mit großer Wertschätzung und tiefer Hochachtung auch im Rahmen der Konferenz Abschied.“ Auf der Bühne steht ein großes Bild von Günter. Vor wenigen Tagen ist der Seminardirektor in die Ewigkeit abberufen worden. Präses Roman Siewert fasst seine Trauerrede, die er vor wenigen Tagen in Erzhausen gehalten hat, vor der Konferenz zusammen.

Ein Haus des Gebets
„Ein Haus des Gebets soll BERÖA sein.“ Der neue Seminardirektor Johannes Schneider  predigt engagiert und bündelt an diesem Morgen die Linie. Dieser Mann hat nicht nur theologische Kompetenzen, sondern sein Anliegen ist, dass Menschen göttliche Prägung erfahren.  „Gebet verändert mich. Es ist unmöglich, Gott zu begegnen und unverändert zu bleiben. Dies war und ist durch die gesamte Geschichte hindurch sichtbar. Menschen, die Gottes Angesicht suchten, wurden verändert und veränderten auch Ihr Umfeld. Das ist unser Erbe – Gott lässt sich suchen, lässt sich bitten. Ich, Du, BERÖA, ja der gesamte BFP soll ein Haus des Gebets sein. Aber unser Fokus soll neu das Suchen des Angesichts Gottes sein.“

Spotlight: BERÖA – Wie alles begann!
Eigentlich begann es schon 1948 mit Bibelkursen in Walle bei Bremen – wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese wurden dann in den folgenden Jahren in Eckernförde und Rönnebeck fortgesetzt. Der gute Besuch ließ die Leiter der Gemeinden die Notwendigkeit einer Bibelschule zur Ausbildung von Predigern und Gemeindemitarbeitern erkennen.

Da die Möglichkeiten der deutschen Pfingstgemeinden einen solchen mutigen Schritt nicht zuließen, ergriff die Assemblies of God in den USA (abgekürzt AoG, eine der größten Pfingstkirchen) durch ihre Mitarbeiter in Deutschland die Initiative.

Neben Gustav Kindermann hatten Paul und Gladys Williscroft, Walter Waldvogel und  Balthasar T. Bard wesentlichen Anteil an der Gründung des „Theologischen Instituts“ 1951 in Stuttgart. Diese Ausbildungsstätte war für die gesamte deutsche Pfingstbewegung gedacht. Es gab jedoch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dieser „amerikanischen“ Schule.

(Auszug aus GEISTbewegt! 09/2011 – von Richard Krüger)

Mit Bibel und Sekundenkleber auf BAURÖA

Auf BERÖA war ich zu einer Zeit, als man Telefonzellen noch mit 10-Pfennig-Stücken fütterte. Im Flur nahe des Kapelleneingangs hatten wir eine (und wirklich nur eine) davon. Leider war immer eine lange Schlange davor. Meine damalige Verlobte und heutige Frau hatte mir bergeweise 10-Pfennig-Stücke mitgegeben, sehr zum Leidwesen meiner Mitstudenten, denn das verlängerte die Schlange vor der Telefonzelle enorm. Nun gut, wenn man Dank der hohen beröanischen Moral, drei Jahre 700 km weit auseinander leben muss, sollte solches Warten für die Kollegen doch Peanuts sein…

Handy, Telefon, Iphone oder Laptop? Fehlanzeige. Meine elektrische Schreibmaschine aus dem Hause „Quelle“ ließ meine Zimmerkollegen bei jedem Tastendruck hochschießen, so durchdringend gut funktionierte sie. Meine Zimmergenossen hatten auch immer ausreichend Gelegenheit, sich in der Geistesfrucht der Geduld zu üben, besonders wenn ich schnarchte. Mal zogen sie aus, mal reagierten sie deutlicher. Mein Freund Gerhard aus Bayern, seinen Nachnamen verrate ich hier nicht, klebte mir während einer Mittags-Schnarchzeit einmal die Finger mit Sekundenkleber zusammen. Innerhalb von kürzester Zeit war mein „Mittagsschnarch“ zu Ende…

BERÖA ist also ein Ort vielfältiger Erfahrungen für mich.

Als die Frage aufkam, auf welche Bibelschule ich gehen würde, kam für mich nur BERÖA infrage, nein, es gab diese Frage eigentlich nicht. Ich hatte eine Berufung von Gott erhalten – und das hieß für mich automatisch BERÖA. Der Bewerber aus dem hohen Norden wurde auch nicht einmal zu einem Gespräch eingeladen. Meine schlichte Bewerbung reichte – und die Empfehlung der Gemeinde.

Heute, zurückblickend, kann ich sagen, dass ich total dankbar bin für die Zeit auf BERÖA. Um einige Dinge hätte ich mich damals mehr kümmern sollen. Die griechischen Vokabeln hatten es mir nicht so sehr angetan, den Hebräisch-Unterricht, damals noch Wahlfach, habe ich mir gar nicht erst zugemutet. Anfang August in Israel habe ich das wieder extrem bedauert.

Im Besonderen:  Was war für mich während meiner Zeit auf BERÖA wichtig? Was hat Spuren hinterlassen? Wofür bin ich dankbar?

Wort Gottes und geistliche Prägung.
Eine klare Beziehung zum Wort Gottes, ein tiefes Schriftverständnis und eine Ehrfurcht vor dem Wort Gottes sind mir vermittelt worden. Ich denke an den ehrwürdigen „Rabbi Lukas“, der uns mit Liebe das Alte Testament nahe gebracht hat. Seine Didaktik war nicht immer wirklich prickelnd, aber er liebte das Wort Gottes. Das hat mir Liebe zum Wort Gottes vermittelt, und Zugang auch zu Bereichen, in denen ich nicht so zu Hause war. Ich denke an Reinhold U., der uns ein prägendes Verständnis der Pneumatologie vermittelt hat. Noch heute profitiere ich von Aufzeichnungen, die ich in seinem Unterricht gemacht habe. Ich denke an Gladys und Paul W., die mir wirkliche Liebe zum Kinderdienst vermittelt haben. Ihre schlichte und einfache Art, gekoppelt mit einer gigantischen Hingabe, war einzigartig.  Ich denke an Richard K. und seine vielfältigen Impulse besonders im Bereich des prophetischen Wortes. Danke euch allen, dass ihr mir geistliche Prägung mitgegeben habt.

Gebet, Lobpreis, Gabendienst
Monatlich hatten wir damals Gebetstage auf BERÖA. Sie haben tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Die Musikräume waren in Doppelfunktion, mal zum Musizieren, mal zum Beten. Die Herausforderung, geistlich dran zu bleiben, haben das Gebet bei mir wachsen lassen, mir im Lobpreis Freiheit gegeben und für den späteren Gabendienst wichtige Impulse gesetzt.

Dienstbereitschaft und Haltung
Ein wichtiges Momentum, was in mir auf BERÖA vertieft wurde, war die Dienstbereitschaft. Lehrer, Schüler und Mitarbeiter waren darin für mich ein Vorbild – nicht alle, aber viele! Damals hatten wir an Wochenenden immer wieder Reisedienste. Außerdem machten wir regelmäßig Musikfeste. Die mussten vorbereitet werden. Dazu kamen Einsätze in den Gemeinden vor Ort. Oft haben wir gestöhnt über die Menge an Arbeit, die damit verbunden war. Aber geschadet hat es mir nicht. Nein, im Gegenteil, es hat in mir eine Diensthaltung vermittelt und vertieft. Dafür war BERÖA äußerst wichtig.

Stallgeruch, Identität und Freundschaften
Der BFP war mir von meiner Heimatgemeinde zwar vertraut, aber eine innere Identität hatte ich nicht. Dazu war ich wohl auch noch zu jung. Zur Identität hat aber BERÖA entscheidend beigetragen. Ich habe einen Stallgeruch mitbekommen, eine innere Identität entwickelt. Viele Freundschaften sind damals entstanden, die noch bis heute andauern.

Praxisbezug
Gerne denke an meine Gemeindepraktika zurück. Ob unter den Fittichen von Ingolf E., den ich für einige Zeit in seiner Gemeinde vertreten durfte, ob in der Zeltmission in Buxtehude, wo ich vor allem für den Kinderdienst verantwortlich war und unseren heutigen Generalsekretär Hartmut K. in einer besonderen Situation kennenlernte, ob in Griesheim unter Manfred H., wohin wir dann auch nach der Bibelschule gingen.

Praktische Fähigkeiten
Gestern haben wir 30 Jahre Bernd und Doris B. gefeiert. Bernd war immer sehr charmant zu mir: „Herr Professor, wollen Sie mir nicht wieder mal auf BAURÖA helfen“. Meistens habe ich ihm gerne zugesagt, da man auf dem Bau ja keine Vokabeln lernen musste. Das hatte auch Vorteile. Ob Heizungsbau, Deckenverputz, das Schütten von Betonsäulen (und worauf man dabei achten muss), das Schutzgasschweißen – alles habe ich auf BAURÖA gelernt und es hat mir später auch nicht geschadet, im Gegenteil. Danke Bernd, für deinen Anteil daran.
Ich denke an die vielen Missionare der Assemblies of God, mit denen wir auf BERÖA zu tun hatten. Hier habe ich große Teile meines „Frommen Englisch“ gelernt“. Das war sehr wichtig für mich. Auch habe ich die Buchbinderei gelernt. In den Pausen sprangen wir damals immer zum mittäglichen Bad in den Papiercontainer der benachbarten Druckerei. Einfach herrlich in den Papierschnipseln zu „baden“.  So manche Buchreste haben wir gefunden, die wir eifrig mit Pattex zu Büchern banden. Ich klebte nicht nur Bücher, ich kaufte auch viele – sehr viele. So wurden aus drei Büchern beim Einzug, beim Auszug aus Ägypten, Verzeihung Beröa, über 30 Bananenkartons, fast wie bei der Brotvermehrung.

„Man muss Menschen mögen“
Es war Günter K. aus Mannheim, der mir diesen Satz in der Nachberöazeit vermittelt hat. Und ich ergänze: Auch wenn sie nicht perfekt sind oder perfekt handeln. Nicht alle Persönlichkeiten auf BERÖA waren kompatibel zu mir, nicht alle perfekt, auch nicht alle Lehrer. Mein koreanischer Banknachbar mit dem merkenswerten Namen „Oh“, der montags von seiner Frau zurückkommend, mit einer umwerfenden Knoblauchfahne in der Bank neben mir saß, war schon eine echte Herausforderung für mich. Ich denke an einen Ludwig E., der feine homiletische und seelsorgerliche Grundlagen bei mir gelegt hat. Ich denke, an einen Manfred H., von dem ich persönlich sehr viel gelernt habe und der mich enorm geprägt hat, auch später in Griesheim. Umso schwerer fiel es mir, spätere Ereignisse zu verkraften. Menschen, auch Lehrer, sind nicht fehlerfrei und vor unguten Schritten gefeit, auch das habe ich auf BERÖA gelernt.

BERÖA – ich danke dir für das, was du in meine Persönlichkeit hineingelegt hast, an mir geformt hast. Im Sinne des Letztgesagten kann ich über dich nur abschließend sagen: Du warst nicht immer das perfekte Theologische Seminar, aber du warst gut zu mir. Das kann ich heute uneingeschränkt und mit Überzeugung sagen. Dürfte oder besser gesagt müsste ich heute noch einmal studieren, ich würde mich wieder für dich entscheiden.

Auch wenn du nun bereits eine ehrwürdige 60-jährige Dame bist, vielleicht manche Falte hast, erlaube ich mir dir  – ohne rot zu werden, eine kleine Liebeserklärung zu machen:  BERÖA – I really love you.

Ein echter Diener, ein großer.

Siewert„Gott ist gut – was auch kommen mag!“ BFP-Präses Roman Siewert berichtet während der Trauerfeier sehr persönlich von den letzten Momenten des Lebens von Günter Karcher. Mit einem klaren Bekenntnis auf seinen Lippen zu Jesus, seinem Retter, ist Günter in die Ewigkeit abgerufen worden. Obwohl der Verlust für alle schmerzlich ist, legt sich ein Mantel tiefer Dankbarkeit und Friedens über die Versammlung.

Mit Psalm 131 umreißt Siewert vor der mehrhundertköpfigen Abschiedsgemeinde das Leben des Freundes, Lehrers, Pastors, Bibelschuldirektors und BFP-Vize-Präses. Neben dem blumengeschmückten Sarg steht ein großes Bild des Verstorbenen. „Wir müssen Vertrauen zu Gott wagen in einer immer rätselhafter werdenden Welt. Leben und Gesundheit können wir nicht kontrollieren.“

Die herbstliche Sonne strahlt Trauerfeieran diesem Samstag über Erzhausen. Die schweigende Kondolenzschlange am Grab scheint kein Ende zu nehmen. Aus allen Teilen der Republik sind Trauergäste gekommen, um von ihrem Bruder, Freund, Kollegen, Lehrer, Wegbegleiter und Seelsorger Abschied zu nehmen. Stühle sind auch außerhalb der Trauerhalle vorbereitet. „Ich diene heute noch Gott, weil es Günter gab“, zitiert der Präses aus der Kondolenzpost. Die Note der Trauerfeier ist sehr persönlich. Viele Augen bleiben nicht trocken.

Langsam gleitet der Sarg in die Gruft.

Aber zunächst spricht Siewert die Ehefrau Gisela an. „39 Jahre wart ihr miteinander unterwegs. Im Chor damals hat Günter deine schöne Stimme gefallen. Ihr habt euch gefunden und lieben gelernt, Gott hat euch drei Kinder geschenkt.“ Die BFP-Bundesgemeinschaft zeigt Gisela und der Familie eindrücklich, dass sie zu ihr und ihnen steht. Mit einem kleinen Blumenstrauß und einem schlichten Handkuss, den sie angedeutet ins Grab wirft, nimmt die Ehefrau Abschied. „Wir fühlen uns von der Gemeinschaft in diesen Tagen sehr getragen.“ Sohn Tobias, als Pastor selbst in den Fußstapfen seines Vaters, bringt es auf den Punkt, was die Familie fühlt.

Das Präsidium des Bundes ist sehr stark vertreten. Ein großer Teil der Regionalleiter ist da. Sie drücken ihre Wertschätzung gegenüber Günter aus. Die Erinnerungen gehen zurück an die letzte gemeinsam Sitzung mit Günter, die er damals vertretungsweise souverän, zielgerichtet und feinfühlig-offen geleitet hatte. Günter wurde wertgeschätzt wegen seiner Gradlinigkeit, Tiefsinnigkeit und Feinfühligkeit. Auch das ist Grund zur Dankbarkeit. Alt-Präses Ellßel ist aus Tostedt gekommen, sein Vorgänger Reinhold Ulonska grüßt brieflich.

Das Lehrerkollegium von BERÖA verliert einen weitsichtigen und geschätzten Direktor, der ohne konkreten Anlass bereits seinen Nachfolger vorbereitet hat. „Günter war eine Gabe Gottes an uns.“ Richard Krüger, Vorgänger von Karcher im Amt des Seminardirektors, wertschätzt seinen Kollegen. Die Lehrerschaft nimmt als erstes nach der Familie am Grab Abschied. Framo Kaltenbach, hessischer Regionalleiter und Günters Frankfurter Gemeindepastor, hebt die uneingeschränkte Loyalität und Unterstützung des Verstorbenen für die lokale Gemeinde hervor. „Manchmal hast du uns auch einfach nur ertragen.“ Danke, Jesus, für das Leben von Günter.

Trauerfeier„Papa hätte gewollt, dass wir einander begegnen“. Sohn Tobias betet für die Gemeinschaft, die sich auf dem Gelände der Bibelschule und der BFP-Zentrale zu einer Open-Air-Kaffeetafel versammelt hat. Lange Reihen von Tischen auf dem Rasen füllen sich. Die BFP-Gemeinschaft verneigt sich in Trauer, Ehrfurcht und Dankbarkeit vor Gott für das Leben des Bruders.

„Günter hat Grenzen erfahren und überwunden.“ Der Präses führt viele Beispiele an. „Vielen ist nicht bekannt, dass er mit sofortiger Wirkung seine Stellung als Oberschullehrer und designierter stellv. Schulleiter in der DDR verlor, als er seine Überlegungen zum möglichen Theologiestudium äußerte.

Gespräch

Konsequent setzte er sich auch für die „Wende“ ein. 1992 kam er als theologischer Lehrer nach Erzhausen. „Mit seinem theologischen Hintergrundwissen hat er viele von uns gemeinsam in die Tasche stecken können.“ Krüger ist der Respekt vor seinem Nachfolger abzuspüren. Auch die politische Gemeinde Erzhausen zollt Respekt. Günter hat sich über mehrere Jahre hier im Orts-Gemeinderat engagiert.

Die Gespräche an den Tischen ziehen sich lange hin. Viele wichtige Begegnungen geschehen am Rande dieses eigentlich traurigen Anlasses. Der Kuchen und die Brötchen schmelzen in der Sonne dahin. Das Service-Team von Beröa dient mit Hingabe und folgt dem Vorbild des ehemaligen Leiters.

Günter war so ein Diener. Ein großer.

BERÖA – Immer wieder gerne hier

BERÖA – vor 30 Jahren hier studiert. Immer wieder gerne hier. Für mich ein Ort von viel Segen. Feiert in diesem Herbst 60 Jahre Bestehen. Mehr dazu in der aktuellen Ausgabe von GEISTbewegt!

Sehr gerne denke ich an die Zeit des Studiums zurück. Als ich im Herbst 1980 mit meinen zwei vollgepackten Koffern aus dem damaligen „Nahverkehrssilberling“ der Deutschen Bahn hüpfend erstmalig „Erzhausener Boden“ betrat, wusste ich nicht, was mich erwartet.

Drei Jahre Studium haben mein Leben sehr geprägt. Nicht nur das Kopfwissen, sondern die Begegnung mit vielen Menschen (Lehrer, Mitstudenten, Gastdozenten, Gäste, …), die Zeiten von Gebet, Andacht und Lobpreis, die Gemeinde-Einsätze, Gottesdienste, Gebetstage, Musikfeste, Aufnahmen – und nicht zuletzt die Mitarbeit auf „Bauröa“ haben ihre Spuren bei mir hinterlassen.

Anfang September 2011. Präsidiumssitzung des BFP, zum Essen und im Quartier sind wir auf BERÖA. Ich studiere die Jubiläums-Schautafeln, die zum Fest erstellt worden sind und die Geschichte dieses ehrwürdigen Ortes dokumentieren. Wirklich gut sind sie geworden. Ich entdecke ein Bild von mir – beim „Bauröa-Einsatz“ bei einer Fußbodenvorbereitung…

Im Sommer-Hauspraktikum hatte ich u.a. gelernt, wie man Heizungen baut und Decken verputzt. Dank Herrn Dr. B.B. Neben theologischen und pastoralen Fächern eben eine „umfassende Ausbildung“ auf BERÖA, die mir später nicht selten SEHR dienlich war…

Wirklich!