Gestern bestellt, heute da.

Den DHL-Mann, der immer zu uns nach Haus kommt, kennen wir mittlerweile schon recht gut. Mehrfach hatten wir schon überlegt, ob wir nicht ein gelbes Schild an unsere Haustüre nageln. Packstation Aufdemhoff! Da in unserem Weg die Nachbarn oft nicht da sind, bei uns aber meistens irgendjemand zu Hause ist, stapeln sich in unserem Haus nicht selten die Pakete für die Nachbarschaft.

In der HB4 gehören die Royal Rangers zu den fleißigsten Bestellern. An manchen Tagen geben sich drei, vier Paketdienste die Tür in die Hand, besonders, wenn für die „Strahlenden Augen“ wieder Weihnachtspäckchen gepackt werden.

„Das habe ich doch erst gestern bestellt“, strahlt die beste Ehefrau von allen, als das Päckchen vom Absender mit dem „A“ am Anfang an diesem Samstag bei uns ankommt. Es ist ja so turbo-einfach. Was nicht gefällt oder passt, kann man ja so bequem – und oft kostenlos – zurücksenden.

dhl

Neulich hatte ich mir ein Ersatzkabel für mein Handy bestellt, weil ich einen wichtigen Adapter verloren hatte. Ohne den (denkbar kleinen) Adapter geht es nicht. Nichts zu machen. Im Handumdrehen hatte ich Ersatz im Internet bestellt. Das Mini-Kabel kam in einem riesengroßen Paket an. Viel Luft war mitverschickt worden. Inzwischen habe ich zwei Kabel, weil mir der fehlende Adapter, den ich vorher verzweifelt gesucht hatte, plötzlich im HB4-Büro wie vom Himmel her vor die Füße fiel. Bis heute habe ich keine Erklärung dafür…

Sehen. Wollen. Bestellen. Erhalten. Genießen – manchmal innerhalb von Stunden, oder einem Tag. Unmerklich ändert sich aber auch unsere Lebensgrundeinstellung: Was wir gestern „bestellt“ haben, muss heute da sein. Wenn das nicht so ist, werden wir ungeduldig. Warten? Sehr schwierig…! Und wenn dann etwas nicht klappt, hängen wir am Telefon und schwätzen dem freundlichen Mitarbeiter an der Hotline die Ohren voll. „Inkompetenter Laden, gebt euch mal ein wenig mehr Mühe…“ Was kann die arme Mitarbeiterin am Telefon dafür, dass etwas schief gelaufen ist? Lass an ihr nicht den „Dampf“ ab.

Leider funktioniert im Leben nicht alles nach diesem Gestern-Heute-Prinzip. Wir hätten es gerne. Manchmal müssen wir warten und Geduld haben, auch in geistlichen Dingen. Dann heißt es dranbleiben, Geduld haben, sich durchringen, beten. „Meckern“ über Gott („Na, wo ist denn dein Jesus…“) klingt zwar souverän und manchmal auch herablassend, bringt aber (meistens) nichts, außer, dass es dir dabei schlechter geht.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein gutes Wochenende. Und wenn du gestern „bestellt“ hast, dann werde heute nicht ungeduldig…

Stehplatz für die Probefahrt

Seitdem wir in Jerusalem sind, fährt sie mit Plastiktüten – zum Schutz für die noch unbenutzten Sitzkissen. Leer. Gemächlich. Laut klingelnd, aber ohne Fahrgäste. Testbetrieb, so munkelt man. Techniker aus Deutschland würden noch benötigt, um die nötigen Feinheiten einzustellen.

Dreisprachig sind die Schilder vorne drauf: Hebräisch, Arabisch und Englisch – elektronisch im Wechsel. Silberfarben ist sie. 14 km lang sind ihre Gleise. Seit mehr als 8 Jahren wurde sie gebaut, viel länger wurde sie geplant. Sie ist Teil eines umfassenden Nahverkehrskonzeptes für Jerusalem. Die „Geisterzüge“ muten etwas seltsam an.

Per eMail bekommen wir aus Deutschland die Anfrage, ob wir denn schon mal mit der neuen Straßenbahn gefahren sind. Sind wir noch nicht!

Dann ist es endlich soweit. Unfeierliche Eröffnung. Keine Zeremonie, kein Nichts. Wir haben jedenfalls nur über einen „Informanten“ davon Kenntnis, dass es los gehen soll. „Heute um 5:30 Uhr fuhr die erste Bahn mit Fahrgästen“, heißt es lapidar. Die ersten Wochen sind die Fahrten kostenlos, damit sich alle an die neue Bahn gewöhnen können.

Wir dürfen uns diese Premiere natürlich nicht entgehen lassen und müssen auch ‚mal mit der neuen Straßenbahn fahren.  Die Gelegenheit ist günstig. Ein Freund setzt uns am Mount Scopus an einer Haltestelle ab. Wir haben die Wahl: Unsere bekannte Buslinie 19 oder die neue Tram. Die Entscheidung ist einfach.

Während wir am Bahnsteig warten, kommt ein Polizeibus quer über die Kreuzung dahergefahren. Die Sirenen heulen laut auf, Bremsen quietschen, Bewaffnete springen heraus, untersuchen den Bahnsteig, die Papierkörbe werden abgesucht. Wem gehört diese herrenlose Tasche?

Es gab eine Bombendrohung, bekommen wir später mit. Die Anschläge in Südisrael machen sich auch hier indirekt bemerkbar. Nervosität ist im Lande.

Sollen wir wirklich mit der Bahn fahren? Wir diskutieren noch einmal. Es bleibt aber fast keine andere Entscheidung, wenn wir nicht weit laufen wollen. Also: wir fahren Tram….

Wir hätten uns das eventuell doch besser überlegen sollen…

In zehn Minuten kommt eine Bahn, sagt die Anzeige. Mit der Wirklichkeit hat das nicht so viel zu tun. Aber immerhin, die Bahn kommt.

Nicht nur wir Reisegermanen, sondern auch viele andere Jerusalemer wollen (verständlicherweise) die Straßenbahn kennenlernen – und kostenlos fahren. Am zweiten Betriebstag ist sie dementsprechend voll. Gemütlich tuckert sie von Haltestelle zu Haltestelle. Überall ausreichend (!) Zeit zum Ein- und Aussteigen. Dann Warten. „Bitte nicht auf den Gleisen stehen bleiben. Wir sind hier nicht in Europa.“ Ein Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe ermahnt mich. Das Bild im Zug ist bunt: Familie, Kinder, die einen Riesenspaß an der neuen Einrichtung haben, Ultraorthodoxe, Araber,…. – Jerusalem live.

An jeder Ampelkreuzung und Haltestelle wird ausreichend Pause eingelegt. Es scheint, als müsse man erst überlegen, ob überhaupt und wann man weiterfahren dürfe. Die Ampelphasen sind in Jerusalem an jeder Ampel  sowieso ungewöhnlich lang.

Zwei Haltstellen später steigen vier ultraorthodoxe Mountainbiker ein. Jeder mit Fahrrad, versteht sich. Geschickt verbauen sie mit ihren Fahrrädern die Eingangstür, stehen quer, bauen immer wieder um, heben die Fahrräder hin und her. Vier Fahrräder in einem Straßenbahneingang sind in der Tat auch „gut“ bemessen. Natürlich kann das nicht gut gehen.

Die Mutter will mit ihrem Kinderwagen aussteigen. Ungeschickt wird der Wagen über die Mountainbikes gehoben. Die Pedale des einen verhaken sich in den Speichen des anderen. Die Bahn fährt an, die Biker schwanken, nur mühsam halten sie sich aneinander fest. Wir haben sowieso nur einen Stehplatz bekommen.

Endlich. Jaffa-Street. Hier kriegen wir, wenn wir die Ben Yehuda hochgehen, unseren Bus. Beim Aussteigen erkläre ich den Bikern, dass ihre Fahrt mit Drahteseln wohl nicht die beste aller möglichen Ideen gewesen sei. Und in München ist das sowieso nicht erlaubt. Ein verständnisloser Blick begleitet mich.

Jerusalem hat seine Straßenbahn. Herzlichen Glückwunsch! Und: Viel Spaß beim weiteren „Üben“. Mal sehen, wie sich das beim nächsten Besuch in Jerusalem anfühlen wird.

Bestimmt besser.

Flexibel, geduldig und ungestresst!

Wenn man Geduld und Flexibilität üben will, ist Jerusalem ein gutes Trainingsfeld. Dienstagmorgen. Wir entscheiden uns, mit dem Bus ans Tote Meer zu fahren. Wir kalkulieren, dass eine Stunde zum zentralen Busbahnhof ausreichend sein dürfte. Selbst, wenn wir vorher noch kurz auf dem Markt halten, um etwas zum Essen mitzunehmen. Plus 1:20 h nach Ein Gedi, sagt das Internet.

Um 10:30 Uhr soll der Bus nach Ein Gedi von der Central Bus Station gehen. Um 9:25 Uhr verabschieden wir uns von unserer Mitbewohnerin. Die Linie 32 scheint heute verfrüht in die Mittagspause gegangen zu sein. Lange kein Bus in Sicht. Endlich, nach mehr als 20 Minuten kommt die 32. Noch 40 Minuten bis Buffalo. Die Fahrt zur Ben Yehuda dauert heute fast 25 Minuten. Hupenbenutzung reichlich. Zu Fuß überholen wir an anderen Tagen manchen Bus spielend. Heute wäre es zeitweilig auch so.

  • 10:13 Uhr Wir brauchen noch etwas zum Essen. Reicht es für einen Stopp auf dem Markt? Ja, es muss reichen.
  • 10:18 Uhr Der Einkauf ist erledigt.
  • 10:19 Uhr Buslinie 23, fährst du zum Central Bus? Ja, ich fahre.
  • 10:20 Uhr Der Bus kann nicht abfahren. Ein Auto, das hier zu dieser Uhrzeit eigentlich nicht fahren darf, will rückwärts auf die Straße heraussetzen. Problem: auf beiden Straßenseiten stillstehender Busstau. Er muss zurück, da aus der Nebengasse ein weiteres Auto kommt. Huuup, huup. Das Chaos scheint perfekt. Drei Endlose Minuten, noch sieben Minuten bis Buffalo.
  • 10:23 Uhr Endlich geht’s weiter.
  • 10:24 Uhr Irgendwie dauert die Ampelphase heute besonders lang.
  • 10:27 Uhr Ankunft Central Bus
  • 10:28 Uhr Security Check am Eingang vom Central Bus. Dreimal muss ich es probieren durch den Scanner zu gehen. Erst vergesse ich das Handy in der Hose, dann noch den Fotoapparat in der Tasche, zum Schluss ist der Wohnungsschlüssel der Piepsverursacher.
  • 10:28:30 Uhr Vor dem Gepäckscanner ist heute eine besonders lange Schlange. Ich drücke den Rucksack in den Scanner. Leben ist hier nicht einfacher, als in Deutschland.
  • 10:30 Uhr Nur gut, dass ich weiß, an welchem Bahnsteig in diesem großen Gebäude der Bus abfährt.
  • 10:32 Uhr Ankunft am Terminal. Die Uhrzeit auf der Anzeigetafel blinkt schon, der Bus ist noch da, uff, uff, fährt gleich ab.
  • 10:32:15 Uhr Enttäuschung: Die Schlange der Mitfahrwilligen vor dem Bus ist lang, der Bus offensichtlich schon voll. Das war’s dann wohl gewesen. Alle Mühe umsonst… Der nächste Bus fährt erst in einer Stunde.
  • 10:33 Uhr Vielleicht passen wir ja doch noch rein.
  • 10:34 Uhr Auf dem Busbahnsteig daneben fährt ein anderer Bus ein, selbe Busnummer. Aaah, die sind hier jedenfalls sehr flexibel. Ein hohes Lob auf „Egged“.
  • 10:41 Uhr Wir sitzen im Bus. Der Fahrer verkauft noch ein paar Karten, während er – wie fast immer und in jedem Bus – schon fährt.
  • 10:43 Uhr Ich erwische das Egged-Bus-WLAN mit meinem Handy. Dann ist es weg.  Warum? An der nächsten Ampel habe ich es wieder. Neben uns steht der andere 486er Bus. Der hat WLAN, unserer keins. Schade, aber verkraftbar.
  • 11:05 Uhr Wir „donnern“ die Road 90 runter nach Jericho. Diese Busfahrer verstehen sich wirklich auf ihr Geschäft…
  • 12:02 Uhr Ein Gedi hat uns nach zwei Jahren Abstinenz wieder. 40 Grad im Schatten. Da braucht man wirklich ein Schattenplätzchen. Zum Glück sind noch ausreichend frei.

Busfahren in Jerusalem: Wer Geduld lernen will, hat hier ein gutes Übungsfeld. Aber: Vielleicht könnten die Manager der Deutschen Bahn hier in Sachen Flexibilität und Chaos-Management mal einen Fortbildungskurs besuchen…