Montagmorgen. Yehuda Markt in Jerusalem. Vor unserer Busfahrt nach Netanya kaufen wir noch ein wenig ein. Brot und etwas Melone haben wir uns ausgedacht. Das reicht als Snack für den Strand. Bei der Hitze hat man sowieso keinen Hunger.
„Wozu hast du denn 10 Sesamstangen gekauft?“ Die beste Ehefrau von allen bringt es mal wieder auf den Punkt. Ja, warum eigentlich? Am Abend vorher waren wir auf dem Markt gewesen und hatten uns nach dem Gottesdienst so ein stangenähnliches Brötchen reingeschoben. Das hatte super geschmeckt. Also kaufe ich gleich 10 für diesen ganzen langen Tag. Man weiß ja nie. Außerdem, so hatte ich am Vorabend gelernt, sind sie zu zehnt im Sonderangebot zu haben…. Sieben Schekel, ungefähr 1,40 EUR.
Der Tag am Strand in Netanya ist wunderbar. Wir haben ein schattiges Plätzchen unter den Sonnendächern, die es überall am Strand gibt. Von dort kann man sich immer wieder in die Sonne und in das Wasser wagen. Wir bleiben den ganzen Tag über dort.
Den Sonnenuntergang am Strand genießen wir besonders. Das Fotografenherz schlägt eindeutig schneller. Sogar bei meiner Frau mit ihrer Digi-Cam.
Auf dem Weg zum Strand hatten wir viele schöne Restaurants und Imbissstände gesehen. Also, kein Problem, da können wir am Abend, wenn wir wieder zur Central Bus Station gehen, noch schön etwas essen und dann gemütlich nach Jerusalem zurückfahren.
Soweit die Vorstellung der unbedarften deutschen Touristen.
Reisen bildet. Ungemein! Man lernt auch die Feiertage eines Landes kennen. Heute ist so einer, hatte man uns am Morgen gesagt. Aber die Busse fahren alle und auch alle Geschäfte haben geöffnet. Na, also, kein Problem.
Tisha B’ Av. Schon mal gehört? Nein, ich bisher nicht wirklich. Ein israelischer Feiertag, der an die Zerstörung beider Tempel und an andere nationale Ereignisse erinnert. An diesem Tag fasten die orthodoxen Juden, die „weltlichen“ Israelis nicht. Man geht zur Klagemauer und liest das Buch der Klagelieder.
Tisha B’Av fängt, wie der Schabbat, am Vorabend an, also am 8. August. Ja, in Augsburg ist am 8. August das Friedensfest, da sind die Touristen auch immer ganz überrascht, wenn die ganze Stadt geschlossen hat, die einzige in der ganzen Republik an diesem Tag…
Wir kommen also gegen 20 Uhr vom Strand, um noch etwas zu essen. Der Sonnenuntergang hat uns lange am Strand gehalten und nicht wenig fasziniert.
Sorry, wir haben Tisha B’Av. Alles dicht! Unfreiwilliges Fasten für den Tempel ist also angesagt. Irgendwo werden wir schon noch etwas zu essen kriegen…
Na, klar dann gleich zum Busbahnhof. Dort gibt es doch, so erinnere ich mich, das gelbe M, diesmal in der Variante auf roten Grund. Die werden uns sicher nicht im Stich lassen. Ja, da sitzen noch Leute drin, wie gut…
Die Erfahrung gemäß Offenbarung 3,20 müssen wir auch hier machen. Vor der Tür und anklopfend…
Die vollelektronischen Anzeigetafeln am Busbahnhof sind in Netanya alle nur auf Hebräisch. Außergewöhnlich. Aber so viel erkennen wir: kein Bus nach Jerusalem zu sehen. Die feiern hier doch wohl nicht auch noch das Tisha-Fest ohne Bus nach Jerusalem? Meine Frau sucht in Gedanken schon ein Hotel aus. Ich erwäge in der Sleep-in-Zone an der Strandpromenade nachzufragen…
Linie 947 – er kommt. Stein-vom-Herzen-Fall. Diesmal geht an Bord sogar das WLAN, so dass ich mich bei Google über Thisha B’Av informieren kann. Alle Geschäfte haben am Vorabend geschlossen, auch alle Bars und Restaurants, sagt die allwissende Internet-Krake, Da haben wir’s. Selbst das gelbe M bildet keine Ausnahme.
„Wir haben noch genau fünf Sesam-Brötchen übrig“. Wie gut! Das Buddeln im Rucksack zwischen den nassen Badesachen und unserer „Mexico-Decke“, die schon viele Länder mit uns gesehen hat, ist erfolgreich. Fastenspeise! Wir teilen „brüderlich“, drei zu zwei… Die zwei Fische suche ich im Rucksack vergeblich. Leider keine eingepackt.
Der kleine Laden bei uns um die Ecke hat um 23:30 Uhr noch auf. Scheinbar kein Tisha B’Av. Dort kaufe ich eine Dose Thunfisch. Daheim angekommen habe ich dann aber auch darauf keinen Hunger mehr.
Reisen bildet. Ungemein! Jedenfalls weiß ich jetzt, was Tisha B’Av ist – und was es in der Praxis bedeutet…