Jerusalem, deine Katzen!

Jesus klagt über Jerusalem. Er hatte Grund dazu. Menschen haben sich für seinen Ruf verschlossen.

Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! (Matthäus 23,37).

Wenn man durch Jerusalem geht, sucht man Hennen und Küken heute vergeblich. Dieses Bild haben die Menschen zur damaligen Zeit gut verstanden. Das Bild der schützenden Henne, die die Küken unter ihre Flügel ruft, ist eindrücklich und deutlich.

Es ist gut, wenn wir uns nicht für seinen Ruf verschließen!

Was man heute sieht, sind Katzen. Sie springen durch die Straßen Jerusalems. Überall. Hunde sieht man eher selten, Katzen um so mehr. Oft sind sie sehr mager. Einer ihrer liebsten Aufenthaltsorte sind die halboffenen Müllcontainer am Straßenrand. Sie erfreuen das Katzenherz und geben reichlich Nahrung – allezeit.

Bei unseren Streifzügen durch Jerusalem haben wir einige Katzen im Portrait festgehalten.

Tisha B’Av, die zweite – oder: Warum ’sich ärgern‘ meistens wenig bringt…

Es ist immer noch Tisha B’Av. Der neunte des Monats. Die Fahrt in die Innenstadt mit dem Bus fordert mich an diesem Tag besonders. Besser gesagt, das Warten. Geschlagene 25 Minuten stehen wir an der Bushaltestelle bis der nächste Bus kommt. Der Fahrplan spricht von „etwa“ 10 Minuten. Warten, so merke ich, gehört nicht zu meinen ersten Gaben…

Dann verpassen wir noch die richtige Bushaltestelle zum Aussteigen… Heute geht einiges schief.

Zum Glück gibt es in der Ben Yehuda eine gute Eisdiele, wo wir uns erstmal „trösten“. Schnell lecken, sonst labt sich auch der Rock mit. Meine Tochter will ein Bild von Palmen haben, das sie als Desktophintergrund zur klimatischen Aufheiterung in D. verwenden möchte. Kein Problem. In Jerusalem gibt es genug davon. Und auch genug offene WiFis, um von überall Mails zu verschicken…

Unvermittelt werden wir auf der Straße auf Hebräisch angesprochen. Das ist – außer von Bettlern – eher ungewöhnlich. Ja, er nennt eindeutig den Namen unseres „besten jüdischen Freunds“. Diese Worte erkenne ich deutlich aus dem hebräischen Wortschwall heraus. Ich antworte auf Englisch. Wir lieben ihn auch! Ooh, gut, ob wir für ihn beten könnten? Ja, natürlich können wir das. Wofür denn? Gerade war jemand da, mit dem er gesprochen hätte, der bald mit ein paar Kumpels wiederkommen wolle, um ihn etwas „aufzumischen“. Ob wir dableiben sollen, fragen wir. Nein, Beten wäre gut und ausreichend.

Am Tor zum Jewish Quarter sehe ich ein mir bekanntes Gesicht. Woher wir uns kennen? Natürlich, Pater W. aus Augsburg. Er leitet eine Gruppe in der Charism. Erneuerung in Augsburg. Schnell werden alte Erinnerungen der Begegnung aufgefrischt und herzliche Grüße ausgetauscht. Wen man in dieser Stadt nicht alles trifft. Und wo! Und zu welchen Zeiten!

Zurück zum Thema: Tisha B’Av ist heute. Unsere ersten Erfahrungen hatten wir ja schon am Vorabend gemacht. So heißt das Ziel unseres heutigen Altstadtbesuchs wiederum Klagemauer. Den Security-Check lassen wir neben uns liegen und gehen ein wenig aufwärts in das jüdische Viertel, um von dort auf die Westmauer und den Platz davor herabzublicken.

Wie geführt, aber ungewollt, kommen wir mit einem aufgeschlossenen jungen Juden ins Gespräch. Aus Haifa stammend empfiehlt er uns die nicht so zahlreichen Sehenswürdigkeiten seiner Heimatstadt. Ja, die Stadt wollen wir auch noch besuchen. Wenn es denn klappt.

Gemeinsam blicken wir auf den reich bevölkerten Platz vor der Westmauer herab. An Tisha B’Av scheint „die ganze Stadt“ hier zu sein. In einem dichten Kreis haben sich viele Männer hingesetzt. Ihr inbrünstiger Gesang dringt zu uns herauf. Ob er denn auch religiös wäre, wollen wir von unserem Haifanischen Freund wissen. „Nein, ich reise durch Europa, esse alles, halte mich nicht an die religiösen Gesetze“. Er positioniert sich eindeutig. Aber es ist irgendwie leicht, ihm von „unserem besten jüdischen Freund“ zu erzählen. Unter anderem weil wir hier in diesem Land auf seine Spuren treffen, sind wir gerne hier. Wir lieben euer Land! Bevor wir uns verabschieden machen wir ein Foto. Nein, Namen haben wir nicht ausgetauscht, aber das ist auch nicht nötig.

10 Schekel Sicherheitsgebühr kostet der Besuch im AISH Hatora World Center. Hier finden viele religiöse jüdische Veranstaltungen statt. Irgendwie haben wir den Weg hierher gefunden. Ja, wir können jetzt auch das Dach besuchen. Oben angekommen verschlägt es uns fast den Atem. Die 20 Schekel sind bestens investiert. Der Ausblick auf den Platz vor der Klagemauer ist einzigartig. Dort drängen sich inzwischen immer mehr Menschen, der Gesang ist weitaus stärker geworden. Die langsam herabsinkende Sonne taucht die goldene Kuppel des Felsendoms in ein warmes Licht. „Isn’t the atmosphere here awesome?“ Eine ältere Dame aus Florida teilt uns ihre Gefühle mit. Die werden bei ihr aber nicht durch die goldene Kuppel sondern durch das ausgelöst, was heute vor der Mauer geschieht.

Das Modell des zweiten Tempels, das hier oben aufgebaut ist, lässt einen eine Vorstellung davon gewinnen, wie es hier ausgesehen haben mag – und wie es hier wieder aussehen könnte.

Wir gehen herunter zur Klagemauer. Kippas gibt es heute keine, deswegen kann ich nicht bis zur Mauer vorgehen und mache zunächst bei ein paar Fotos von der Menge. Dann erwische ich doch noch eine und versuche mich zur Mauer hin durchzuschlagen. Keine Chance. Ich gebe nach halbem Weg auf. Hier tritt man sich heute auf die Füße. Inmitten alldem intensive Gebete, manche auch etwas oberflächlicher und unkonzentriert. Auch die Spendensammler haben heute Hochkonjunktur.

Ich stelle mich in den Kreis der „Sänger“. Viele sitzen auf dem Steinboden. Noch immer sind sie engagiert im Gesang.  Viele sind innerlich stark engagiert, das ist unschwer zu erkennen. Ohne Leiter. Ohne Organisation. Ohne Zeitdruck. Einfach singen. Für wie lange? Keine Ahnung, aber es ist eine gefühlt lange Zeit. Irgendwann löst sich die Gruppe auf.

Es ist dunkel geworden. Wir wollen noch einmal versuchen auf das Dach zu kommen. Der Sicherheitsinspektor akzeptiert unsere 10-Schekel-Quittungen für einen zweiten Eintritt und so sind wir schnell wieder oben. Die Dunkelheit lässt den Platz wiederum in eine ganz andere Atmosphäre eintauchen als noch vor einer Stunde. Leider habe ich heute meinen Kamera-Akku nicht ausreichend geladen, so droht der bei 194 Bildern seine Dienste zu versagen…

Busfahren oder Laufen? Wir entscheiden uns für den Heimweg heute für letztere Variante. Bewegung tut gut, auch in Jerusalem. Fast an unserem Quartier angekommen werden wir von hinten an einer Bushaltestelle angesprochen. Es ist Frau K., die wir vor ein paar Tagen kennengelernt hatten…

Ich bin versöhnt. Den „Ärger“ über den auf der Hintour nicht kommenden Bus hätte ich mir besser gespart. Ich glaube nicht, dass wir sonst all den Menschen begegnet wären, mit denen wir heute Erfahrungen gemacht haben…

Tisha B’Av – Fasten für den Tempel

Montagmorgen. Yehuda Markt in Jerusalem. Vor unserer Busfahrt nach Netanya kaufen wir noch ein wenig ein. Brot und etwas Melone haben wir uns ausgedacht. Das reicht als Snack für den Strand. Bei der Hitze hat man sowieso keinen Hunger.

„Wozu hast du denn 10 Sesamstangen gekauft?“ Die beste Ehefrau von allen bringt es mal wieder auf den Punkt. Ja, warum eigentlich? Am Abend vorher waren wir auf dem Markt gewesen und hatten uns nach dem Gottesdienst so ein stangenähnliches Brötchen reingeschoben. Das hatte super geschmeckt. Also kaufe ich gleich 10 für diesen ganzen langen Tag. Man weiß ja nie. Außerdem, so hatte ich am Vorabend gelernt, sind sie zu zehnt im Sonderangebot zu haben…. Sieben Schekel, ungefähr 1,40 EUR.

Der Tag am Strand in Netanya ist wunderbar. Wir haben ein schattiges Plätzchen unter den Sonnendächern, die es überall am Strand gibt. Von dort kann man sich immer wieder in die Sonne und in das Wasser wagen. Wir bleiben den ganzen Tag über dort.

Den Sonnenuntergang am Strand genießen wir besonders. Das Fotografenherz schlägt eindeutig schneller. Sogar bei meiner Frau mit ihrer Digi-Cam.

Auf dem Weg zum Strand hatten wir viele schöne Restaurants und Imbissstände gesehen. Also, kein Problem, da können wir am Abend, wenn wir wieder zur Central Bus Station gehen, noch schön etwas essen und dann gemütlich nach Jerusalem zurückfahren.

Soweit die Vorstellung der unbedarften deutschen Touristen.

Reisen bildet. Ungemein!  Man lernt auch die Feiertage eines Landes kennen. Heute ist so einer, hatte man uns am Morgen gesagt. Aber die Busse fahren alle und auch alle Geschäfte haben geöffnet. Na, also, kein Problem.

Tisha B’ Av. Schon mal gehört? Nein, ich bisher nicht wirklich. Ein israelischer Feiertag, der an die Zerstörung beider Tempel und an andere nationale Ereignisse  erinnert. An diesem Tag fasten die orthodoxen Juden, die „weltlichen“ Israelis nicht. Man geht zur Klagemauer und liest das Buch der Klagelieder.

Tisha B’Av fängt, wie der Schabbat, am Vorabend an, also am 8. August. Ja, in Augsburg ist am 8. August das Friedensfest, da sind die Touristen auch immer ganz überrascht, wenn die ganze Stadt geschlossen hat, die einzige in der ganzen Republik an diesem Tag…

Wir kommen also gegen 20 Uhr vom Strand, um noch etwas zu essen. Der Sonnenuntergang hat uns lange am Strand gehalten und nicht wenig fasziniert.

Sorry, wir haben Tisha B’Av. Alles dicht!  Unfreiwilliges Fasten für den Tempel ist also angesagt. Irgendwo werden wir schon noch etwas zu essen kriegen…

Na, klar dann gleich zum Busbahnhof. Dort gibt es doch, so erinnere ich mich, das gelbe M, diesmal in der Variante auf roten Grund. Die werden uns sicher nicht im Stich lassen. Ja, da sitzen noch Leute drin, wie gut…

Die Erfahrung gemäß Offenbarung 3,20 müssen wir auch hier machen. Vor der Tür und anklopfend…

Die vollelektronischen Anzeigetafeln am Busbahnhof sind in Netanya alle nur auf Hebräisch. Außergewöhnlich. Aber so viel erkennen wir: kein Bus nach Jerusalem zu sehen. Die feiern hier doch wohl nicht auch noch das Tisha-Fest ohne Bus nach Jerusalem? Meine Frau sucht in Gedanken schon ein Hotel aus. Ich erwäge in der Sleep-in-Zone an der Strandpromenade nachzufragen…

Linie 947 – er kommt. Stein-vom-Herzen-Fall. Diesmal geht an Bord sogar das WLAN, so dass ich mich bei Google über Thisha B’Av informieren kann. Alle Geschäfte haben am Vorabend geschlossen, auch alle Bars und Restaurants, sagt die allwissende Internet-Krake, Da haben wir’s. Selbst das gelbe M bildet keine Ausnahme.

„Wir haben noch genau fünf Sesam-Brötchen übrig“. Wie gut! Das Buddeln im Rucksack zwischen den nassen Badesachen und unserer „Mexico-Decke“, die schon viele Länder mit uns gesehen hat,  ist erfolgreich. Fastenspeise! Wir teilen „brüderlich“, drei zu zwei… Die zwei Fische suche ich im Rucksack vergeblich. Leider keine eingepackt.

Der kleine Laden bei uns um die Ecke hat um 23:30 Uhr noch auf. Scheinbar kein Tisha B’Av. Dort kaufe ich eine Dose Thunfisch. Daheim angekommen habe ich dann aber auch darauf keinen Hunger mehr.

Reisen bildet. Ungemein! Jedenfalls weiß ich jetzt, was Tisha B’Av ist –  und was es in der Praxis bedeutet…

Wellenreite(r/n)

Netanya. Wir sind das erste Mal hier. Die Sonne schafft es auch heute wieder zu mediteranen Höchstleistungen. Auch hierher hat der Egged-Bus uns problemlos gebracht. Am Strand genießen wir die Erholung, Wellen und die Sonne. Ipad mit Bluetooth-Tastatur machen das Bloggen im Jahr 2011 auch am Strand möglich…

Der Strand in Netanya wird von einer Steilküste begrenzt. Hier entstehen warme Aufwinde. Unzählige Gleitschirmflieger nutzen sie und können den Hotelgästen – so scheint es – in die Zimmer gucken.

Die Wellen des Mittelmeers sind ein echtes Erlebnis. Man kann sich gegen die Welle stellen, dann haut sie einen um. Mann kann durch die Welle durchtauchen, dann wird sie zur Herausforderung, man kann auf der Welle schwimmen, „reiten“ oder die Energie ausnutzen – dann wird sie zum Erlebnis. In Mengen sind die jungen Leute mit ihren Surfbrettern an den Strand gekommen, um dieses Erlebnis auszunutzen.

Man muss den Scheitel der Welle ausnutzen, um richtig Fahrt drauf zu kriegen. Es kitzelt mich in den Füßen, mich auch mal auf so ein Brett zu stellen. Da schwimmt eins ohne Besitzer. Ich „fange“ es ein. Der junge Mann, der von seinem Brett getrennt wurde, taucht Augenblicke später aus der sich glättenden Woge auf und nimmt es dankbar von mir in Empfang. Wenige Minuten später dasselbe Spielchen. Diesmal kann ich das Brett nicht „einfangen“. Na, ganz so einfach scheint es doch nicht zu ein.

Die Wellen des Lebens sind manchmal hoch, wie hier in Netanya. Stelle ich mich gegen sie? Schaffe ich es, „hindurchzutauchen“? Oder gelingt es mir, die Welle des Lebens zum Erlebnis zu machen? Man muss Mut haben sich entsprechend zu entscheiden.

Richtig, Das Wasser im Lebensmeer hat nicht immer die Badewannentemperatur, die es hier in Netanya hat. Da will man gar nicht raus aus dem Erlebnis!

Jede Herausforderung des Lebens kann zu einem Erlebnis und zum Segen werden. Es kommt immer darauf an, mit welcher „Haltung“ wir an etwas herangehen.

Stell dich der Welle nicht entgegen und lass dich nicht von ihr umwerfen!

„Dobre dien“ in der „Sleep-in-Zone“

Dobre dien – doswidanje! Irgendwie kommt mir die Sprachmelodie sehr bekannt vor. Die dominierende Sprache um uns herum am Strand und besonders auf der Promenade von Netanya ist nicht Hebräisch, sondern Russisch. Schilder sind hier nicht selten in drei Sprachen zu finden. Hebräisch, Englisch (danke!) und Russisch.

Das Land Israel hat viele Herausforderungen. Das „Ungeliebtsein“ von den Nachbarn schaukelt sich oft mit Reaktionen auf israelischer Seite gegen arabische Leute hoch. Es ist wie ein „Teufelskreis“. Dieser Kreis kann nur durch die Liebe Gottes durchbrochen werden.

Dazu kommt die Herausforderung der Integration vieler neuer Einwanderer, besonders die aus der ehem. Sowjetunion. Andere Kultur, andere Sprache, andere Gewohnheiten!

Neue Menschen brauchen mehr Wohnungen. Die wachsen bekanntlich nicht an Bäumen.

Der stumme Protest gegen die Wohnungsnot macht sich überall im Land Raum. An der Strandpromenade von Netanya prangt ein großes Zelt neben den kleinen silbernen Iglu-Zelten: Sleep-in-Zone. Wenn es denn Urlaub wäre, wäre es ja noch nett. Allein von den Bildern der „Zeltstädte“, die überall im Lande zu finden sind, könnte ich eine ganze Galerie füllen.

Die Proteste im Land haben sich von den erfolgreichen Protesten der arabischen Nachbarn inspirieren lassen, so glauben die Medien. Aber eben eindeutig friedlich. Davon können wir uns selbst ein Bild machen.

Es ist gut für die Menschen in diesem Land und ihre Herausforderungen zu beten.

Die Sonntagsfrage: Mocca oder Nescafé?

11 Uhr, nein zehn Uhr. Wir stehen vor den Türen der First Baptist Bible Church in R.. Keiner da. Ob der Gottesdienst heute überhaupt stattfindet? Wir sind nicht allein hier, sondern der Gastprediger dieses Gottesdienstes hat uns mitgenommen. Wg. des Ramadans ist die Zeitverschiebung der Sommerzeit hier aufgehoben und wir haben wieder „deutsche Zeit“. „Damit das Fasten bei der Hitze einfacher fällt und die Sonne eher untergeht“, ist die einfache wie plausible Erklärung.

Punkt 10:01 Uhr kommt die Schwester, die den Schlüssel hat. Nein, wir fangen erst um 10:30 Uhr an. Den Beamer – bisher in jeder besuchten Gemeinde Standard – bedient hier ein Asiat aus K., der mit seiner Frau diese Gemeinde unterstützt. Er ist Student in Jerusalem. Aber sie investieren viel in die Unterstützung der Gemeinde.

„Ich will einzieh’n in sein Tor mit dem Herzen voller Dank“. Es ist zwar nicht das neuste Lied, was wir hier auf Arabisch singen, aber ich kann es jedenfalls. Das Liederbuch mit den vielen verschlungenen Linien hilft leider nicht viel weiter. Das Klavier ist leicht verstimmt.

Die Gemeinde ist leider zahlenmäßig geschrumpft. Aber sie lieben Jesus von Herzen. Das ist das Wichtigste. Ich bringe Grüße aus München. Schnell werden die Herzen warm. Sehr warm. Die Aufnahme und der Austausch ist herzlich. Ein Foto? Ja, natürlich. Und natürlich herzliche Grüße zurück nach München. Das will ich gerne ausrichten. Beim Abendmahl wird das Fladenbrot in den Kelch getaucht, der Saft nicht getrunken. So sind die Sitten überall verschieden. Aber es ist der erste Sonntag im Monat. Da feiert man Abendmahl. Genau wie in München üblich.

„Was kostet das Iphone in Deutschland?“, fragt mich eine junge Dame im Small-Talk nach dem Gottesdienst, um im gleichen Atemzug  „meines hat 1000 Dollar gekostet“ zu sagen. Ich lerne, dass das hier eines der Standardtelefone ist. Telefonieren? Immer. Überall. Lautstark. Scheinbar im ganzen Nahen Osten

Nach dem Gottesdienst werden wir zu sechst eingeladen zu einem üppigen Mittagessen. „You must come to my house“. Der Gemeindeleiter lässt uns mit seinem höflichen aber deutlichem Druck keine Wahl offen. Wir müssen. Folgt mir einfach mit dem Auto. Unser Fahrer, selbst arabischer Herkunft, ist vom Fahrstil unseres „Vorfahrers“ höchst angetan und folgt nur mit Mühe seinem Tempo…

Doch wir kommen sicher an. Das Essen steht auf dem Tisch. Hähnchenteile, Kebab, köstliche Speisen werden uns in Fülle serviert. Unser Gastgeber hat vom Gottesdienst aus seine Haushälterin angerufen, die alles auf den Punkt zubereitet hat. Wir brauchen nur noch essen. Seine kürzlich verstorbene Frau hat die Gemeinde geründet und jahrelang geleitet. Bilder werden bewundert.

„Iss nicht so viel von der xyz-Soße“, flachst unser Gastgeber. Er ist ein liebevoller Mensch mit viel Humor. „Dann bleibt mehr für uns übrig.“ Natürlich habe ich den Namen der spinatähnlichen köstlichen Soße bis zur nächsten Begegnung mit meinem ‚Puter‘ wieder vergessen.

Die arabische Gastfreundschaft wird mit einer Zeremonie in kleinen Tassen abgerundet. „Mocca oder Nescafé?“ Ich entscheide mich für beides. Schon der Kirchenkaffee mir arabischem Mocca in kleinen Pappbechern war köstlich.

„Kannst du nächsten Sonntag wiederkommen und bei uns predigen?“ Wir tauschen Visitenkarten aus. Nein, eine Zusage will ich noch nicht machen, aber es in meinem Herzen bewegen. Unser „Taxifahrer“ ist am nächsten Sonntag verhindert. Kein Problem, meint er, aus der Nähe des Gartengrabs fahren die Busse auch nach R. Kostet nur 5 Scheckel…

Man muss nur früh genug losfahren, lernen wir auf der Rückfahrt. Die Innenstadt von R. hat sich zum reinsten Verkehrschaos entwickelt.

Allzeithoch – plus zwei

Wir schätzen uns glücklich zum Rekordsommer am Flughafen Ben-Gurion mit beigetragen haben zu dürfen. 🙂

Juli bringt Allzeit-Rekord für Passagierzahlen am Flughafen Ben-Gurion

Der Sommer dieses Jahres scheint ein Rekordsommer zu werden, was die Passagierzahlen des Flughafens Ben-Gurion betrifft: Es werden 2,83 Millionen Passagiere erwartet.

Der Juli hat bereits einen Rekord beschert: Mit 1,365 Millionen Passagieren wurden in diesem Jahr 15% mehr Passagiere abgefertigt als im Juli 2010 und damit mehr als jemals in einem Juli seit Eröffnung des Flughafens. Der Tag mit den meisten Passagieren war der 28. Juli mit 61.091 Passagieren an einem Tag.

Sowohl für die Touristen, die von ihrem Israel-Urlaub nach Hause fliegen, als auch als Urlaubsziele für Israelis sind dabei Griechenland, die USA, Deutschland, Frankreich, Italien und Russland die am meisten angeflogenen Ziele.

Aufgrund des erhöhten Passagieraufkommens hat die Flughafenbehörde Reisende jetzt dazu aufgerufen, bereits drei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein.

(Ynet, 07.08.11) veröffentlicht im Newsletter der Botschaft des Staates Israel, Berlin

Schabbat Schalom oder: 55 Minuten Fußweg zum Gottesdienst

An diesem Schabbat ist es heiß. Wie fast an jedem Tag. Am Vorabend des Schabbats werden in Jerusalem die „Gehsteige hochgeklappt“. Viele Familien nutzen den Freitagabend, um miteinander zu essen und zu singen. Das Leben, so scheint es, steht für einen Tag wirklich still. „Schabbat Schalom“. Ich kann den Heimweg von der abendlichen Essenseinladung mitten auf der sonst so belebten Hauptstraße machen. Freundlich grüßt man auch den Ausländer mit dem Frieden zum Schabbat.

Davon könnten wir Deutschen auch lernen. Nicht, dass ich den Sabbat einführen will, aber die Konsequenz mit der das Leben hier ruht ist beeindruckend! Bei uns ist ja eher eine andere Entwicklung in Gange, den Sonntag immer mehr den anderen Tagen anzugleichen. Vielleicht sollte unsere Politik mal einen kleinen Betriebsausflug nach Jerusalem machen…

Ein Bus am Schabbat? Fehlanzeige. So bleibt uns nichts anderes übrig, als zu Fuß zum Gottesdienst zu gehen. Beim Fußmarsch, so stellen wir immer wieder fest, erschließen sich einem die schönsten Beobachtungen am Wegesrand. Auch hier in Jerusalem. Man staunt, was da so blüht und wächst.

Das Finden der messianischen Gemeinden ist nicht immer ganz einfach. Zwar gibt es Listen, aber die genauen Informationen, wann und ob überhaupt ein Gottesdienst stattfindet, sind eher spärlich, auch im Internet. Ja, normalerweise haben wir hier am Schabbat Gottesdienst, aber am 1. Samstag im Monat nicht… Dieses Erlebnis kennen wir schon aus 2009. Schon mehrfach standen wir vor verschlossener Tür.

55 Minuten sind wir also zu Fuß unterwegs. Meine Frau fühlt sich nach Afrika versetzt, wo die Leute auch so lange unterwegs sind, um in den Gottesdienst zu kommen.

Der Gottesdienst in der „Propheten Straße“ (ja, so heißt sie wirklich) ist gerammelt voll. Schön zu sehen, wie viele Leute hier zusammen kommen. Vier Ventilatoren sorgen für einigermaßen erträgliche Temperaturen, fünf Älteste leiten die Gemeinde gemeinsam. Der Prediger bringt sehr gute Gedanken aus dem Buch Jesaja. Leider ist die englische Übersetzung eher spärlich gut und da ich gleichzeitig ins Deutsche übersetze, ist es auch schwierig im gedanklichen Fluss zu bleiben. Auch für Gilad Schalit wird gebetet, so viel bekomme ich auch ohne Übersetzung der Gebete mit.

Victor, der Gemeindegründer, feiert heute seinen 80. Geburtstag. In dieser Gemeinde ist mehr die ältere Generation vertreten. Die Gemeinschaft unter den Leuten ist herzlich, das Geburtstagsbuffet gut ausgestattet, die kleinen Reden am Buffet sind herzlich und tränenreich. Angenehm. Schade aber, dass wir als „Fremde“ hier nicht angesprochen werden. Was immer wieder auch von Deutschland berichtet wird, scheint auch hier üblich zu sein: man kümmert sich mehr um sich selbst. Das macht nachdenklich. Nichtsdestotrotz versuchen wir zu viert unseren Teil und versuchen auf Leute zuzugehen.

Es ist immer wieder interessant, die „Rollen“ zu wechseln und die „andere Seite“ zu sehen, nicht nur in der Rolle des Gastgebers zu sein, sondern auch es Gastes.

55 Minuten durch die Mittagshitze zurück? Leichtes Stöhnen entringt sich der weiblichen Dreiviertelmehrheit unserer Gruppe. Wir entscheiden uns für’s Taxi. Zu viert bleiben nach kurzer Verhandlung zwei Euro pro Person zu zahlen. Inklusiv Schabbataufschlag, versteht sich.

Abends werden wir von unserem Gastgeber durch die Jerusalemer Abendsonne mit dem Auto nach Hause gebracht. Unsere Füße sind nicht undankbar. Daheim wollen wir – wie gewohnt – den Sicherheitscode eingeben, damit sich die Tür zum Hausflur öffnet. Nicht nötig: Es ist Schabbat, da soll man unnötige Arbeit vermeiden. Deswegen sind die Sicherheitscodes an diesem Tag deaktiviert…

Bleibt nur zu hoffen, dass potentielle Diebe auch Schabbat feiern.

Keiner will sie haben

Yad Vashem. Die Konfrontation mit den unrühmlichen Untaten deutscher Vernichtungsakribie kann einem nur die Schamesröte neu ins Gesicht treiben. Sechs Millionen! Die grauenvollen Aktivitäten der sogenannten „Sondereinsatzgruppen“ in den Ostgebieten werden mir historisch neu bewusst.

Das Museum über die Geschichte des Holocausts ist neu gestaltet. Bei unserem ersten Besuch im Jahr 2000 war es noch nicht da. Gut, modern und emotional nahegehend ist es aufgebaut, aber trotzdem dezent und würdevoll.

„Die jungen Leute müssen sich hier selbst ihr Bild machen“. Im „Valley of the communities“ treffen wir einen redseligen Vater aus Sachsen-Anhalt, der mit seinen Kids auf einem selbstorganisierten Trip durch Israel ist. „Nur der Kleeene kann Englisch, aber wir kommen auch mit Deutsch sehr gut durch“. Auch sie haben ihre Reise kurzfristig organisiert. „Bei uns im Osten gibt es viel ungutes rechtes Gedankengut“, ist er besorgt. „Gegen diese „Dummköppe“ muss man etwas tun. Ich leiste für meine Kinder meinen Beitrag.“ Aus der kurzen Begegnung wächst ein längeres Gespräch, das bei dem Denkmal für die Deportierten – ein ehemaliger Waggon der Deutschen Reichsbahn – seine Fortsetzung findet. Petra kann in dieses Gespräch viele gute Aspekte einfließen lassen. Auch keine zufällige Begegnung!

Auf dem Weg zurück nehmen wir den Fußweg, der Yad Vashem mit dem Herzl-Park auf dem Herzl-Berg verbindet. Jugendliche haben diesen Weg mit eigenen Händen gebaut. Die Staatsgründung von Israel ist hier in Kurzform dokumentiert. Wir verweilen an den Gräbern von Golda Meir, Ytzak Rabin und Theodor Hertzl, dem Visionär für einen Staat Israel.

Von überall wurden die Juden deportiert, wegtransportiert. Dass auch Amerika sich geweigert hat, während des Hitler-Regimes Flüchtlinge aufzunehmen, war mir aus der Geschichtskenntnis nicht mehr gegenwärtig. Und selbst in Eretz Israel waren die einwandernden jüdischen Überlebenden unerwünscht. Als „illegal“ sah man ihr Einwandern an. Auf Zypern mussten sie in Camps – eben den Nazi-Camps entronnen – einem neuen ungewissen Schicksal entgegen sehen.

Keiner wollte und will sie haben. Das Einwandern der Juden führt mit zum Ende des Mandats der Briten über Palästina. Den neuen Konflikten wollten sie ausweichen. Deutschland wollte sie per „Endlösung“ völlig ausmerzen. Andere Länder weigerten sich zur Aufnahme der Juden. Auch heute sind sie angegriffen, umhergeworfen, unerwünscht, angefeindet. Ob es ein Herr Ahmadinedschad ist, der Israel ins Mittelmeer versenken möchte, die sog. Gaza-Flottille oder andere. Das macht nachdenklich. Israel ist immer für eine Aufregung gut, scheinbar egal was hier geschieht!

„Und ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!“ – Die Verheißung für Abraham gilt für das Volk Israel auch noch heute.

Segnen fängt im Denken an, prägt unser Reden und wirkt sich in unserem Handeln aus. Dazu tut das Hiersein gut. Man überdenkt, reflektiert, orientiert sich neu. Welch ein Segen, diese Zeit hier in diesem Land zu haben.

Gilad is alive oder: Ein freier Stuhl für Gilad Schalit

In Jerusalem wird demonstriert. Viel. Überall. Ebenso an anderen Orten im Land. Nein, Demos im herkömmlichen Sinne eigentlich weniger. Wohnungsnotstand, Ärztestreik wegen niedriger Löhne – das sind Themen, die die Menschen bewegen.

Im Vorbeigehen lasse ich das Wohnungsnotstand – Zeltlager im Independance-Park auf mich wirken, Volksküche inklusive. Es ist ein Lager von vielen. Der Rasensprenger eignet sich hervorragend, um die Karotten für das Mittagessen zu waschen. Das Planschbecken hält als „Volksbadewanne“ her, mit Sonnenschutz.

300 Meter oberhalb haben die Aktivisten für Gilad Schalit ihr Domizil am Straßenrand aufgeschlagen. Auch hier wird demonstriert, aber anders. 1864 plus x Tage ist Gilad mittlerweile in den Händen der Hamas, so heißt es. Ob er noch lebt, fragen wir einen der Volontäre am Stand? „Ja, wir glauben es“. Er drückt uns einen Aufkleber zum Mitnehmen in die Hand. „Gilad is alive“ – in Israel-Blau gedruckt. Dazu ein paar gelbe Bänder. Was wir damit tun sollen? Irgendwo anbinden, ans Auto, an einen Baum und sich dadurch bekennen.

Ob Gilad dadurch freikommt? „Wir tun für ihn, was wir können“. Der Volontär ist zuversichtlich. „Wir unterstützen die Familie, stehen hinter ihnen, helfen ihnen.“ Ob er Gilad persönlich kennt? Nein. Aber der Einzelne ist in diesem Land wichtig. Die letzte Lebensnachricht von Gilad stammt aus dem Jahr 2009.

Gilad ist zum nationalen Symbol geworden. Man will sich dem Druck und der Erpressung nicht beugen, aber auch ihn nicht vergessen. Dafür setzen sich die Menschen ein. Der Stand ist, obwohl fast in einer eher unbedeutenden Straße, immer umlagert. Später erfahre ich, warum der Stand gerade hier aufgebaut ist: Das Domizil des Ministerpräsdidenten befindet sich gleich um die Ecke. Er soll immer wieder mit diesem Problem konfrontiert werden. Auf der Pinnwand werden Bekundungen des Mitgefühls geschrieben.

Im Pavillon der Aktivisten kann man sich auf Stühlen niederlassen und reden. Nein, aber bitte nicht auf diesem. Der ist für Gilad reserviert. Der bleibt immer frei. Welche eine Symbolik, welch ein Ausdruck von Hoffnung.

Ein Fernsehteam dreht einen Beitrag über Gilad und die Gerüchte der letzten Tage um einen möglichen Gefangenenaustausch. Ob ich mich dazu äußern möchte? Ich halte es für weiser mich an dieser Stelle bedeckt zu halten und keine Aussage vor der Kamera zu machen…

In der messianischen Gemeinde, die wir besuchen, wird auch für Gilad gebetet. Mögen die Gebete erhört werden.