Pay half – get double: Pizzavermeeeeeehrung in Netanya

Kauf drei und bekomme eins frei! Das Werbemotto findet man in Israel in größeren Geschäften nicht selten.

Samstagabend, der Schabbat ist zu Ende. Das Leben erwacht wieder. Wir sind auf dem Weg von Tiberias über Nazareth nach Jerusalem zurück. Na klar, wir wollen noch mal ans Mittelmeer. Baden um 21 Uhr in Netanya. Das Wasser ist badewannenwarm, die Brandung mahnt zur Vorsicht. Trotzdem – wir trauen uns. Super.

Anschließend haben wir Hunger. Während auf dem zentralen Platz in Netanya eine Demo in Verbindung mit den landesweiten Protesten gegen Wohnungsnot und hohe Lebenshaltungskosten ihren Lauf nimmt, bestellen wir Pizza. Beim Pizza-Service mit kleiner Bar dabei. Der Laden scheint gut zu laufen. Hochbetrieb, alle Momente fährt ein Motorroller mit Pizza-Lieferung los.

Zehn Minuten würde es dauern, der Preis mit einem großen eisgekühlten Getränk nach Wahl für drei ist akzeptabel, ich bezahle mit Kreditkarte. Als nach einer halben Stunde immer noch keine Pizza in Sicht ist, aber haufenweise Motorroller abgefahren sind, frage ich vorsichtig mal nach. Man will ja nicht ungeduldig wirken, aber die Nachbarn neben uns haben auch schon bekommen, obwohl sie wesentlich später kommen.

X  hinter der Theke fragt Y, Y fragt Z, Z wendet sich per Zuruf an X.  Man zuckt mit den Schultern. Keine Ahnung. Vergessen? Weiß nicht. Man windet sich. Ich werde energischer, das ist für mich nicht akzeptabel. Man meint hier einfach, das aussitzen zu können. Ich werde etwas deutlicher, immer noch betont höflich.

Schließlich merkt man, dass der deutsche Tourist sich nicht „abspeisen“ lässt. Ok, ok, wir geben uns Mühe. In fünf Minuten ist es soweit. Man drückt mir die Hälfte des Pizza-Preises als „Entschädigung“ in bar in die Hand.

Einverstanden! Ich frage noch nach einem weiteren kleinen Getränk. Kostenlos. Auch einverstanden.

In fünf Minuten ist die Pizza tätsächlich auf unserem Tisch. Der Belag entspricht zwar nicht wirklich dem, was wir bestellt haben, aber sie schmeckt ausgezeichnet. Wir sind zufrieden.

Als die Pizza halb in unserem Magen versenkt ist, kommt der „Verursacher“ und fragt mach, ob alles ok wäre. Ja, alles bestens. Pizza gut, Cola kalt…

Er hätte da noch eine Pizza, ob wir dafür Verwendung hätten. Free!

Ich fackele nicht lange. Ja, haben wir.

Die Reste der Pizza schmecken am kommenden Abend noch gut – aufgewärmt.

Pizzavermeeeeeehrung in Netanya: Pay half – get double. Warum nicht auch mal so…

 

(K)ein Platz für das Haupt in Galiläa

Tiberias. Hier war Jesus mit seinen Jüngern unterwegs, fuhr auf dem See Genezareth mit ihnen „spazieren“ und lehrte sie Lektionen des Glaubens. Brotvermehrung, Seligpreisungen, Kapernaum – viele Stichworte fliegen durch unseren Kopf.

Unsere Planungen sind, wie fast alles auf dieser Reise – spontan. Mittwoch miete ich das Auto, mit dem wir am Freitag losfahren wollen. Am Donnerstag stoßen wir unsere ursprünglichen Pläne um. Wir machen zwei Tage im Norden, mit Übernachtung. Das tote Meer verschieben wir einfach…

Jesus hatte oft keinen Platz, wo er sein Haupt hinlegen konnte. Aber irgendwo hat er dann wohl doch geschlafen. Mal sehen, wie es uns ergehen wird. Hochklassige Hotels sind heute in Israel kein Problem, das nötige Kleingeld vorausgesetzt.

Irgendwie geraten wir kurzfristig an die Telefonnummer einer Frau in Tiberias. Donnerstagabend rufe ich an. „Können wir morgen zu dritt kommen“. „A couple and one wife extra“. Der Englischfehler ist mir kurz darauf höchst peinlich, das Telefonat aber stimmt mich sehr fröhlich.

Unser „bed and breakfast“ liegt unweit vom Clubhotel hoch oben über dem See, der Ausblick von der Terasse ist fantastisch.

„For God so loved the world“. John 3,16. Die Bilder im Eingang zeigen uns schnell, wo wir hier gelandet sind. Gläubige Leute. Schnell sind wir miteinander in tiefsten Gesprächen, so dass wir uns kaum losreißen können, um in Tiberias noch „Petrusfisch“ genießen zu können.

Wir fühlen uns schnell „wie zu Hause“. Das Frühstück ist bestens, der Ausblick vom Balkon der Gastgeber lässt einem am Morgen fast den Atem stocken. Vor unserer Abreise beten wir miteinander und müssen noch deutsche Lobpreislieder singen.

Es ist wirklich „turbointeressant“, welche Leute wir während dieser Reise alle kennenlernen und treffen.

Gerne geben wir natürlich auf Anfrage den Tipp weiter…

Hugo, der Biber von Yardenit

Nennen wir ihn einfach Hugo.  Ihn lerne ich in Yardenit kennen. Scharen von Pilgern kommen hier jährlich her, um sich im Jordan taufen zu lassen – oder die Taufe zu erneuern. Oder weil sie neugierig sind.

Hugo lebt am Jordan, am südlichen Ende des See Genezareths. In der leicht erdfarbenen – eher Brühe als Wasser – lebt er mit seiner großen Familie. Mehrere Familienmitglieder sichte ich an diesem Freitag. Hugo lässt sich von den Pilgern bereitwillig mit Brot verwöhnen. Immer, wenn er fertig ist, macht er „Männchen“. „Will mehr“. Selbst wenn man kein Hebräisch versteht, kann man das auslegen. Hugo kriegt mehr. Und die vielen dicken, fetten Jordanfische, die sich nebenbei gesammelt haben, auch.

So kann ich Hugo artig portraitiren. Ich bin begeistert.

Es ist hier heißer als in Jerusalem. Wesentlich heißer. Ein paar russische Freunde haben sich ein Taufgewand besorgt, um hier schwimmen zu können. Scheinbar sind sie schon getauft. So verliert der Wunsch unbedingt im Jordan getauft worden zu sein, doch etwas an Mythos und Glanz… Bei unseren letzten beiden Besuchen war hier immer ordentlich „Taufbetrieb“.

Am Morgen sind wir 100 km weiter südlich, gleich gegenüber von Jericho. Auch dort gibt es eine Taufstelle. Die schon länger auf jordanischer Seite existierende Taufstelle mit alter Kirche hat auf israelischer Seite ein Pendant bekommen. Dazu hat man von der Grenzanlage einen Korridor zum Jordan gebaut, durch den man jetzt bequem Zugang hat. Dies ist erst vor ein paar Wochen fertig geworden, so hören wird.

„Heute morgen waren schon Deutsche da“, erzählt mir der israelische Soldat, der hier heute gemeinsam mit einem Kollegen Dienst hat. Ob er uns fotografieren würde? Na, klar. Zum Glück richtet sich sein MG nur auf den Boden. Wie meistens. Irgendwie verliert man den inneren Respekt, wenn man täglich von (jungen) Menschen umgeben ist, die so ein Gerät „spazierentragen“. Das ist in Israel ganz normal. Überall.

Drei Jahre müsse er im Militär dienen. Hier würde man ja wirklich mehr Soldaten brauchen als in Deutschland. Recht hat er. Klar, hier sollte möglichst keiner über den Jordan schwimmen, der hier nicht gerade breit ist.  Ob denn heute schon jemand getauft worden ist, will ich wissen? „Getauft“, was ist das? Vielleicht liegt es am Englischen oder er macht hier heute zum ersten Mal Dienst, sonst kann ich mir die Unkenntnis kaum vorstellen.

Diese Taufstelle, so wird uns klar, hat durchaus das Zeug zu einer neuen Attraktion für Taufwillige und Touristen zu werden, zumal der Weg von Jerusalem hierher nicht sehr weit ist. Und es ist irgendwie authentischer als in Yardenit.

Und in Israel ist man nicht auf den Kopf gefallen, wenn es darum geht, den christlichen Pilgern etwas zu bieten – auch bei aller höflichen Abgrenzung dem Christentum gegenüber.

Am Schabbat sind wir in der Gemeinde von Pastor D. in Tiberias. Die Gemeinde hat in den letzten Jahren ein erfreuliches Wachstum erlebt. Hebräisch, Englisch, Russisch, Gebärdensprache. Viele russische Leute gehören zur Gemeinde. „Wir haben die Informationen in vielen Sprachen ausgedruckt“, sagt der Pastor. Wir fühlen uns sehr wohl. D. ist sehr väterlich und gibt der Gemeinde eine gute Grundlage im Wort Gottes. Als er mich entdeckt lächelt er mir von der Kanzel aus zu. Nun gut, zuordnen kann er mein Gesicht nicht, aber dafür war der persönliche Kontakt während des Besuchs im vergangenen Jahres in unserer Gemeinde auch zu kurz.

„Heute morgen vor dem Gottesdienst haben sich 15 taufen lassen. Wir wollen sie jetzt im Gebet segnen“. D. holt die 15 Täuflinge nach vorne. Welch eine Freude, nicht nur in Tiberias.

Ob Hugo der Taufe beigewohnt hat oder ob sie woanders stattgefunden hat (vermutlich), lässt sich leider für uns nicht feststellen. Er hätte sich sicher auch gefreut.

Leider nicht hier…

Sorry, er ist leider nicht hier. Auch keine Überreste von IHM. Kein Bild. Keine Statue. Keine Ikone. Keine Marienfigur. Kein Grabtuch. Keine Nägel. Kein sonstwas.

Einfach ein leeres Grab!

„Dieses Schild hast du doch jedes Mal fotografiert, wenn wir hier waren.“ Richtig, habe ich. Aber es muss auch dieses Jahr wieder sein.


Wir sind im Gartengrab. (The Garden Tomb). Im Gegensatz zur Grabeskirche ist dies ein Ort, an dem man wirklich abschalten und auftanken kann. Die Schlichtheit beeindruckt.

Im Felsen ist ein Grab ausgehauen, wie man sich das Grab Jesu vorstellen könnte. Es wird nicht der Anspruch erhoben, dass dies wirklich „das Grab“ war. Die Schlichtheit ist das Besondere dieses Ortes.

Die Botschaft muss immer wieder in ihrer Einfachheit wiederholt werden.

Er ist nicht hier! Er ist auferstanden! Er lebt. ERlebt!

Mehr nicht.

Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit. Hebr 13.8


Jerusalem, deine Katzen!

Jesus klagt über Jerusalem. Er hatte Grund dazu. Menschen haben sich für seinen Ruf verschlossen.

Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! (Matthäus 23,37).

Wenn man durch Jerusalem geht, sucht man Hennen und Küken heute vergeblich. Dieses Bild haben die Menschen zur damaligen Zeit gut verstanden. Das Bild der schützenden Henne, die die Küken unter ihre Flügel ruft, ist eindrücklich und deutlich.

Es ist gut, wenn wir uns nicht für seinen Ruf verschließen!

Was man heute sieht, sind Katzen. Sie springen durch die Straßen Jerusalems. Überall. Hunde sieht man eher selten, Katzen um so mehr. Oft sind sie sehr mager. Einer ihrer liebsten Aufenthaltsorte sind die halboffenen Müllcontainer am Straßenrand. Sie erfreuen das Katzenherz und geben reichlich Nahrung – allezeit.

Bei unseren Streifzügen durch Jerusalem haben wir einige Katzen im Portrait festgehalten.

Tisha B’Av, die zweite – oder: Warum ’sich ärgern‘ meistens wenig bringt…

Es ist immer noch Tisha B’Av. Der neunte des Monats. Die Fahrt in die Innenstadt mit dem Bus fordert mich an diesem Tag besonders. Besser gesagt, das Warten. Geschlagene 25 Minuten stehen wir an der Bushaltestelle bis der nächste Bus kommt. Der Fahrplan spricht von „etwa“ 10 Minuten. Warten, so merke ich, gehört nicht zu meinen ersten Gaben…

Dann verpassen wir noch die richtige Bushaltestelle zum Aussteigen… Heute geht einiges schief.

Zum Glück gibt es in der Ben Yehuda eine gute Eisdiele, wo wir uns erstmal „trösten“. Schnell lecken, sonst labt sich auch der Rock mit. Meine Tochter will ein Bild von Palmen haben, das sie als Desktophintergrund zur klimatischen Aufheiterung in D. verwenden möchte. Kein Problem. In Jerusalem gibt es genug davon. Und auch genug offene WiFis, um von überall Mails zu verschicken…

Unvermittelt werden wir auf der Straße auf Hebräisch angesprochen. Das ist – außer von Bettlern – eher ungewöhnlich. Ja, er nennt eindeutig den Namen unseres „besten jüdischen Freunds“. Diese Worte erkenne ich deutlich aus dem hebräischen Wortschwall heraus. Ich antworte auf Englisch. Wir lieben ihn auch! Ooh, gut, ob wir für ihn beten könnten? Ja, natürlich können wir das. Wofür denn? Gerade war jemand da, mit dem er gesprochen hätte, der bald mit ein paar Kumpels wiederkommen wolle, um ihn etwas „aufzumischen“. Ob wir dableiben sollen, fragen wir. Nein, Beten wäre gut und ausreichend.

Am Tor zum Jewish Quarter sehe ich ein mir bekanntes Gesicht. Woher wir uns kennen? Natürlich, Pater W. aus Augsburg. Er leitet eine Gruppe in der Charism. Erneuerung in Augsburg. Schnell werden alte Erinnerungen der Begegnung aufgefrischt und herzliche Grüße ausgetauscht. Wen man in dieser Stadt nicht alles trifft. Und wo! Und zu welchen Zeiten!

Zurück zum Thema: Tisha B’Av ist heute. Unsere ersten Erfahrungen hatten wir ja schon am Vorabend gemacht. So heißt das Ziel unseres heutigen Altstadtbesuchs wiederum Klagemauer. Den Security-Check lassen wir neben uns liegen und gehen ein wenig aufwärts in das jüdische Viertel, um von dort auf die Westmauer und den Platz davor herabzublicken.

Wie geführt, aber ungewollt, kommen wir mit einem aufgeschlossenen jungen Juden ins Gespräch. Aus Haifa stammend empfiehlt er uns die nicht so zahlreichen Sehenswürdigkeiten seiner Heimatstadt. Ja, die Stadt wollen wir auch noch besuchen. Wenn es denn klappt.

Gemeinsam blicken wir auf den reich bevölkerten Platz vor der Westmauer herab. An Tisha B’Av scheint „die ganze Stadt“ hier zu sein. In einem dichten Kreis haben sich viele Männer hingesetzt. Ihr inbrünstiger Gesang dringt zu uns herauf. Ob er denn auch religiös wäre, wollen wir von unserem Haifanischen Freund wissen. „Nein, ich reise durch Europa, esse alles, halte mich nicht an die religiösen Gesetze“. Er positioniert sich eindeutig. Aber es ist irgendwie leicht, ihm von „unserem besten jüdischen Freund“ zu erzählen. Unter anderem weil wir hier in diesem Land auf seine Spuren treffen, sind wir gerne hier. Wir lieben euer Land! Bevor wir uns verabschieden machen wir ein Foto. Nein, Namen haben wir nicht ausgetauscht, aber das ist auch nicht nötig.

10 Schekel Sicherheitsgebühr kostet der Besuch im AISH Hatora World Center. Hier finden viele religiöse jüdische Veranstaltungen statt. Irgendwie haben wir den Weg hierher gefunden. Ja, wir können jetzt auch das Dach besuchen. Oben angekommen verschlägt es uns fast den Atem. Die 20 Schekel sind bestens investiert. Der Ausblick auf den Platz vor der Klagemauer ist einzigartig. Dort drängen sich inzwischen immer mehr Menschen, der Gesang ist weitaus stärker geworden. Die langsam herabsinkende Sonne taucht die goldene Kuppel des Felsendoms in ein warmes Licht. „Isn’t the atmosphere here awesome?“ Eine ältere Dame aus Florida teilt uns ihre Gefühle mit. Die werden bei ihr aber nicht durch die goldene Kuppel sondern durch das ausgelöst, was heute vor der Mauer geschieht.

Das Modell des zweiten Tempels, das hier oben aufgebaut ist, lässt einen eine Vorstellung davon gewinnen, wie es hier ausgesehen haben mag – und wie es hier wieder aussehen könnte.

Wir gehen herunter zur Klagemauer. Kippas gibt es heute keine, deswegen kann ich nicht bis zur Mauer vorgehen und mache zunächst bei ein paar Fotos von der Menge. Dann erwische ich doch noch eine und versuche mich zur Mauer hin durchzuschlagen. Keine Chance. Ich gebe nach halbem Weg auf. Hier tritt man sich heute auf die Füße. Inmitten alldem intensive Gebete, manche auch etwas oberflächlicher und unkonzentriert. Auch die Spendensammler haben heute Hochkonjunktur.

Ich stelle mich in den Kreis der „Sänger“. Viele sitzen auf dem Steinboden. Noch immer sind sie engagiert im Gesang.  Viele sind innerlich stark engagiert, das ist unschwer zu erkennen. Ohne Leiter. Ohne Organisation. Ohne Zeitdruck. Einfach singen. Für wie lange? Keine Ahnung, aber es ist eine gefühlt lange Zeit. Irgendwann löst sich die Gruppe auf.

Es ist dunkel geworden. Wir wollen noch einmal versuchen auf das Dach zu kommen. Der Sicherheitsinspektor akzeptiert unsere 10-Schekel-Quittungen für einen zweiten Eintritt und so sind wir schnell wieder oben. Die Dunkelheit lässt den Platz wiederum in eine ganz andere Atmosphäre eintauchen als noch vor einer Stunde. Leider habe ich heute meinen Kamera-Akku nicht ausreichend geladen, so droht der bei 194 Bildern seine Dienste zu versagen…

Busfahren oder Laufen? Wir entscheiden uns für den Heimweg heute für letztere Variante. Bewegung tut gut, auch in Jerusalem. Fast an unserem Quartier angekommen werden wir von hinten an einer Bushaltestelle angesprochen. Es ist Frau K., die wir vor ein paar Tagen kennengelernt hatten…

Ich bin versöhnt. Den „Ärger“ über den auf der Hintour nicht kommenden Bus hätte ich mir besser gespart. Ich glaube nicht, dass wir sonst all den Menschen begegnet wären, mit denen wir heute Erfahrungen gemacht haben…

Die Sonntagsfrage: Mocca oder Nescafé?

11 Uhr, nein zehn Uhr. Wir stehen vor den Türen der First Baptist Bible Church in R.. Keiner da. Ob der Gottesdienst heute überhaupt stattfindet? Wir sind nicht allein hier, sondern der Gastprediger dieses Gottesdienstes hat uns mitgenommen. Wg. des Ramadans ist die Zeitverschiebung der Sommerzeit hier aufgehoben und wir haben wieder „deutsche Zeit“. „Damit das Fasten bei der Hitze einfacher fällt und die Sonne eher untergeht“, ist die einfache wie plausible Erklärung.

Punkt 10:01 Uhr kommt die Schwester, die den Schlüssel hat. Nein, wir fangen erst um 10:30 Uhr an. Den Beamer – bisher in jeder besuchten Gemeinde Standard – bedient hier ein Asiat aus K., der mit seiner Frau diese Gemeinde unterstützt. Er ist Student in Jerusalem. Aber sie investieren viel in die Unterstützung der Gemeinde.

„Ich will einzieh’n in sein Tor mit dem Herzen voller Dank“. Es ist zwar nicht das neuste Lied, was wir hier auf Arabisch singen, aber ich kann es jedenfalls. Das Liederbuch mit den vielen verschlungenen Linien hilft leider nicht viel weiter. Das Klavier ist leicht verstimmt.

Die Gemeinde ist leider zahlenmäßig geschrumpft. Aber sie lieben Jesus von Herzen. Das ist das Wichtigste. Ich bringe Grüße aus München. Schnell werden die Herzen warm. Sehr warm. Die Aufnahme und der Austausch ist herzlich. Ein Foto? Ja, natürlich. Und natürlich herzliche Grüße zurück nach München. Das will ich gerne ausrichten. Beim Abendmahl wird das Fladenbrot in den Kelch getaucht, der Saft nicht getrunken. So sind die Sitten überall verschieden. Aber es ist der erste Sonntag im Monat. Da feiert man Abendmahl. Genau wie in München üblich.

„Was kostet das Iphone in Deutschland?“, fragt mich eine junge Dame im Small-Talk nach dem Gottesdienst, um im gleichen Atemzug  „meines hat 1000 Dollar gekostet“ zu sagen. Ich lerne, dass das hier eines der Standardtelefone ist. Telefonieren? Immer. Überall. Lautstark. Scheinbar im ganzen Nahen Osten

Nach dem Gottesdienst werden wir zu sechst eingeladen zu einem üppigen Mittagessen. „You must come to my house“. Der Gemeindeleiter lässt uns mit seinem höflichen aber deutlichem Druck keine Wahl offen. Wir müssen. Folgt mir einfach mit dem Auto. Unser Fahrer, selbst arabischer Herkunft, ist vom Fahrstil unseres „Vorfahrers“ höchst angetan und folgt nur mit Mühe seinem Tempo…

Doch wir kommen sicher an. Das Essen steht auf dem Tisch. Hähnchenteile, Kebab, köstliche Speisen werden uns in Fülle serviert. Unser Gastgeber hat vom Gottesdienst aus seine Haushälterin angerufen, die alles auf den Punkt zubereitet hat. Wir brauchen nur noch essen. Seine kürzlich verstorbene Frau hat die Gemeinde geründet und jahrelang geleitet. Bilder werden bewundert.

„Iss nicht so viel von der xyz-Soße“, flachst unser Gastgeber. Er ist ein liebevoller Mensch mit viel Humor. „Dann bleibt mehr für uns übrig.“ Natürlich habe ich den Namen der spinatähnlichen köstlichen Soße bis zur nächsten Begegnung mit meinem ‚Puter‘ wieder vergessen.

Die arabische Gastfreundschaft wird mit einer Zeremonie in kleinen Tassen abgerundet. „Mocca oder Nescafé?“ Ich entscheide mich für beides. Schon der Kirchenkaffee mir arabischem Mocca in kleinen Pappbechern war köstlich.

„Kannst du nächsten Sonntag wiederkommen und bei uns predigen?“ Wir tauschen Visitenkarten aus. Nein, eine Zusage will ich noch nicht machen, aber es in meinem Herzen bewegen. Unser „Taxifahrer“ ist am nächsten Sonntag verhindert. Kein Problem, meint er, aus der Nähe des Gartengrabs fahren die Busse auch nach R. Kostet nur 5 Scheckel…

Man muss nur früh genug losfahren, lernen wir auf der Rückfahrt. Die Innenstadt von R. hat sich zum reinsten Verkehrschaos entwickelt.

Allzeithoch – plus zwei

Wir schätzen uns glücklich zum Rekordsommer am Flughafen Ben-Gurion mit beigetragen haben zu dürfen. 🙂

Juli bringt Allzeit-Rekord für Passagierzahlen am Flughafen Ben-Gurion

Der Sommer dieses Jahres scheint ein Rekordsommer zu werden, was die Passagierzahlen des Flughafens Ben-Gurion betrifft: Es werden 2,83 Millionen Passagiere erwartet.

Der Juli hat bereits einen Rekord beschert: Mit 1,365 Millionen Passagieren wurden in diesem Jahr 15% mehr Passagiere abgefertigt als im Juli 2010 und damit mehr als jemals in einem Juli seit Eröffnung des Flughafens. Der Tag mit den meisten Passagieren war der 28. Juli mit 61.091 Passagieren an einem Tag.

Sowohl für die Touristen, die von ihrem Israel-Urlaub nach Hause fliegen, als auch als Urlaubsziele für Israelis sind dabei Griechenland, die USA, Deutschland, Frankreich, Italien und Russland die am meisten angeflogenen Ziele.

Aufgrund des erhöhten Passagieraufkommens hat die Flughafenbehörde Reisende jetzt dazu aufgerufen, bereits drei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein.

(Ynet, 07.08.11) veröffentlicht im Newsletter der Botschaft des Staates Israel, Berlin

Schabbat Schalom oder: 55 Minuten Fußweg zum Gottesdienst

An diesem Schabbat ist es heiß. Wie fast an jedem Tag. Am Vorabend des Schabbats werden in Jerusalem die „Gehsteige hochgeklappt“. Viele Familien nutzen den Freitagabend, um miteinander zu essen und zu singen. Das Leben, so scheint es, steht für einen Tag wirklich still. „Schabbat Schalom“. Ich kann den Heimweg von der abendlichen Essenseinladung mitten auf der sonst so belebten Hauptstraße machen. Freundlich grüßt man auch den Ausländer mit dem Frieden zum Schabbat.

Davon könnten wir Deutschen auch lernen. Nicht, dass ich den Sabbat einführen will, aber die Konsequenz mit der das Leben hier ruht ist beeindruckend! Bei uns ist ja eher eine andere Entwicklung in Gange, den Sonntag immer mehr den anderen Tagen anzugleichen. Vielleicht sollte unsere Politik mal einen kleinen Betriebsausflug nach Jerusalem machen…

Ein Bus am Schabbat? Fehlanzeige. So bleibt uns nichts anderes übrig, als zu Fuß zum Gottesdienst zu gehen. Beim Fußmarsch, so stellen wir immer wieder fest, erschließen sich einem die schönsten Beobachtungen am Wegesrand. Auch hier in Jerusalem. Man staunt, was da so blüht und wächst.

Das Finden der messianischen Gemeinden ist nicht immer ganz einfach. Zwar gibt es Listen, aber die genauen Informationen, wann und ob überhaupt ein Gottesdienst stattfindet, sind eher spärlich, auch im Internet. Ja, normalerweise haben wir hier am Schabbat Gottesdienst, aber am 1. Samstag im Monat nicht… Dieses Erlebnis kennen wir schon aus 2009. Schon mehrfach standen wir vor verschlossener Tür.

55 Minuten sind wir also zu Fuß unterwegs. Meine Frau fühlt sich nach Afrika versetzt, wo die Leute auch so lange unterwegs sind, um in den Gottesdienst zu kommen.

Der Gottesdienst in der „Propheten Straße“ (ja, so heißt sie wirklich) ist gerammelt voll. Schön zu sehen, wie viele Leute hier zusammen kommen. Vier Ventilatoren sorgen für einigermaßen erträgliche Temperaturen, fünf Älteste leiten die Gemeinde gemeinsam. Der Prediger bringt sehr gute Gedanken aus dem Buch Jesaja. Leider ist die englische Übersetzung eher spärlich gut und da ich gleichzeitig ins Deutsche übersetze, ist es auch schwierig im gedanklichen Fluss zu bleiben. Auch für Gilad Schalit wird gebetet, so viel bekomme ich auch ohne Übersetzung der Gebete mit.

Victor, der Gemeindegründer, feiert heute seinen 80. Geburtstag. In dieser Gemeinde ist mehr die ältere Generation vertreten. Die Gemeinschaft unter den Leuten ist herzlich, das Geburtstagsbuffet gut ausgestattet, die kleinen Reden am Buffet sind herzlich und tränenreich. Angenehm. Schade aber, dass wir als „Fremde“ hier nicht angesprochen werden. Was immer wieder auch von Deutschland berichtet wird, scheint auch hier üblich zu sein: man kümmert sich mehr um sich selbst. Das macht nachdenklich. Nichtsdestotrotz versuchen wir zu viert unseren Teil und versuchen auf Leute zuzugehen.

Es ist immer wieder interessant, die „Rollen“ zu wechseln und die „andere Seite“ zu sehen, nicht nur in der Rolle des Gastgebers zu sein, sondern auch es Gastes.

55 Minuten durch die Mittagshitze zurück? Leichtes Stöhnen entringt sich der weiblichen Dreiviertelmehrheit unserer Gruppe. Wir entscheiden uns für’s Taxi. Zu viert bleiben nach kurzer Verhandlung zwei Euro pro Person zu zahlen. Inklusiv Schabbataufschlag, versteht sich.

Abends werden wir von unserem Gastgeber durch die Jerusalemer Abendsonne mit dem Auto nach Hause gebracht. Unsere Füße sind nicht undankbar. Daheim wollen wir – wie gewohnt – den Sicherheitscode eingeben, damit sich die Tür zum Hausflur öffnet. Nicht nötig: Es ist Schabbat, da soll man unnötige Arbeit vermeiden. Deswegen sind die Sicherheitscodes an diesem Tag deaktiviert…

Bleibt nur zu hoffen, dass potentielle Diebe auch Schabbat feiern.

Keiner will sie haben

Yad Vashem. Die Konfrontation mit den unrühmlichen Untaten deutscher Vernichtungsakribie kann einem nur die Schamesröte neu ins Gesicht treiben. Sechs Millionen! Die grauenvollen Aktivitäten der sogenannten „Sondereinsatzgruppen“ in den Ostgebieten werden mir historisch neu bewusst.

Das Museum über die Geschichte des Holocausts ist neu gestaltet. Bei unserem ersten Besuch im Jahr 2000 war es noch nicht da. Gut, modern und emotional nahegehend ist es aufgebaut, aber trotzdem dezent und würdevoll.

„Die jungen Leute müssen sich hier selbst ihr Bild machen“. Im „Valley of the communities“ treffen wir einen redseligen Vater aus Sachsen-Anhalt, der mit seinen Kids auf einem selbstorganisierten Trip durch Israel ist. „Nur der Kleeene kann Englisch, aber wir kommen auch mit Deutsch sehr gut durch“. Auch sie haben ihre Reise kurzfristig organisiert. „Bei uns im Osten gibt es viel ungutes rechtes Gedankengut“, ist er besorgt. „Gegen diese „Dummköppe“ muss man etwas tun. Ich leiste für meine Kinder meinen Beitrag.“ Aus der kurzen Begegnung wächst ein längeres Gespräch, das bei dem Denkmal für die Deportierten – ein ehemaliger Waggon der Deutschen Reichsbahn – seine Fortsetzung findet. Petra kann in dieses Gespräch viele gute Aspekte einfließen lassen. Auch keine zufällige Begegnung!

Auf dem Weg zurück nehmen wir den Fußweg, der Yad Vashem mit dem Herzl-Park auf dem Herzl-Berg verbindet. Jugendliche haben diesen Weg mit eigenen Händen gebaut. Die Staatsgründung von Israel ist hier in Kurzform dokumentiert. Wir verweilen an den Gräbern von Golda Meir, Ytzak Rabin und Theodor Hertzl, dem Visionär für einen Staat Israel.

Von überall wurden die Juden deportiert, wegtransportiert. Dass auch Amerika sich geweigert hat, während des Hitler-Regimes Flüchtlinge aufzunehmen, war mir aus der Geschichtskenntnis nicht mehr gegenwärtig. Und selbst in Eretz Israel waren die einwandernden jüdischen Überlebenden unerwünscht. Als „illegal“ sah man ihr Einwandern an. Auf Zypern mussten sie in Camps – eben den Nazi-Camps entronnen – einem neuen ungewissen Schicksal entgegen sehen.

Keiner wollte und will sie haben. Das Einwandern der Juden führt mit zum Ende des Mandats der Briten über Palästina. Den neuen Konflikten wollten sie ausweichen. Deutschland wollte sie per „Endlösung“ völlig ausmerzen. Andere Länder weigerten sich zur Aufnahme der Juden. Auch heute sind sie angegriffen, umhergeworfen, unerwünscht, angefeindet. Ob es ein Herr Ahmadinedschad ist, der Israel ins Mittelmeer versenken möchte, die sog. Gaza-Flottille oder andere. Das macht nachdenklich. Israel ist immer für eine Aufregung gut, scheinbar egal was hier geschieht!

„Und ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!“ – Die Verheißung für Abraham gilt für das Volk Israel auch noch heute.

Segnen fängt im Denken an, prägt unser Reden und wirkt sich in unserem Handeln aus. Dazu tut das Hiersein gut. Man überdenkt, reflektiert, orientiert sich neu. Welch ein Segen, diese Zeit hier in diesem Land zu haben.