Anschläge in Südisrael (2)

Wir erfahren es aus den Medien bzw. per eMail: Israel ist heute von Anschlägen auf öffentliche Buslinien und auf Grenztruppen getroffen worden. Man spricht von über 10 Toten und 40 Verletzten. Wir empfinden Mitgefühl mit den Opfern und vor allem den Angehörigen.

Während der Anschlag geschieht, sind wir am Strand in Tel Aviv. Mehrere Mails treffen ein, ob es uns gut geht? Ja, sehr gut. Eilat steht in diesem Jahr nicht auf unserem Programm. Allerdings: mit den Bussen, die als Fernlinien über Land fahren, sind wir in diesen Tagen sehr häufig unterwegs. Ein funktionierendes Bahnsystem gibt es in Israel de facto nicht.

Sicherheitskontrollen bei vielen Gelegenheiten: Im Busbahnhof, im Einkaufszentrum, an der Westmauer, in der einen oder anderen Synagoge. Alles aus dem Taschen raus, durch den Scanner durch. Der Rucksack wird oft durchwühlt. Wir haben allerdings zu keinem Zeitpunkt ein Gefühl der Unsicherheit hier im Land. Dass es „unruhig“ sein soll, wie uns jemand schreibt, verspüren wir auch nicht.

Israel treibt einen großen Aufwand, um die Sicherheit zu gewährleisten. Mehr oder weniger geduldig nimmt man das hier in Kauf. Eine vollständige Sicherheit kann es aber nicht geben. Wenn jeder Zustieg in einen Bus kontrolliert werden würde, würde das öffentliche Leben und die Infrastruktur völlig zusammenbrechen.

So bleibt es das Wichtigste sich der fürsorgenden Bewahrung und dem Schutz Gottes anzubefehlen und sich nicht zu „sorgen“.

Anschläge in Südisrael (1)

(aus dem Newsletter der Botschaft des Staates Israel, Berlin, 18.08.2011)

Im Süden Israels sind heute Mittag mehrere Terroranschläge verübt worden. Nach aktuellem Kenntnisstand wurden die Anschläge im Gaza-Streifen geplant.

Bei einem Anschlag, der um die Mittagszeit stattfand, haben Terroristen das Feuer auf einen Linienbus eröffnet, der von Be’er Sheva nach Eilat unterwegs war. Die Route führt entlang der isarelisch-ägyptischen Grenze. 14 Personen wurden dabei verwundet.

Gleichzeitig wurde das Feuer auf zwei Privatautos und einen weiteren Linienbus eröffnet. Auch hierbei wurden mehrere Menschen verletzt.

Kurze Zeit später explodierte ein Sprengsatz in der Nähe einer Einheit  der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL), die zum Ort des Anschlags gekommen war. Mehrere Soldaten wurden verletzt.

Später feuerten Terroristen Mörsergranaten auf Routinebauarbeiten am Grenzzaun zwischen Israel und Ägypten ab.

Alle Anschläge ereigneten sich ca. 20 km nördlich der Stadt Eilat. Offiziell wurden 41 Verletzte bestätigt. Israelische Medien sprechen darüber hinaus von bis zu sieben Todesopfern.

ZAHAL verfolgt die Terroristen, die die Anschläge ausgeführt haben. Die Kampfhandlungen dauern noch an.

Der Sprecher von ZAHAL, Brigadegeneral Yoav Mordechai erklärte, die Angriffe seien Teil eines „schwerwiegenden und komplexen Ereignisses“, während dessen Zivilisten und Soldaten verletzt worden seien.

Verteidigungsminister Ehud Barak erklärte: „Es handelt sich um einen schwerwiegenden Terroranschlag mit mehreren Anschlagsorten. Das Ereignis zeigt die Schwäche der Ägypter im Sinai und die Ausweitung des Aktionsradius‘ der Terroristen. Die Quelle der Terrorangriffe liegt im Gaza-Streifen und wir werden dies aus voller Kraft verfolgen.“

(Israelische Verteidigungsstreitkräfte, 18.08.11)

Wird der dritte Tempel gebaut?

Wir besuchen den Western-Wall-Tunnel. Nein, man kommt da ohne Voranmeldung nicht hinein. Am Telefon muss man seine Kreditkartennummer angeben, sonst geht nichts. Den Termin bekommen wir für vier Tage später. Wollt ihr um 23 Uhr kommen? Nein, das ist uns dann doch zu spät, aber kurz nach acht ist gut. Später lernen wir, dass unsere relativ späte Uhrzeit gut ist. Tagsüber verlässt man den Tunnel nach einem Durchgang auf der anderen Seite, abends „muss“ man den Weg durch den Tunnel zurücklaufen – und kann alles in Ruhe noch einmal anschauen.

Der Besuch im WW-Tunnel lohnt sich besonders. Man versteht mehr über die Ausmaße des Tempelbergs, die geschichtliche Entwicklung der Stadt Jerusalem und welche Bedeutung dabei der Tempelberg spielt oder gespielt hat. Er geht entlang an der ganzen „Western Wall“, die unterirdisch noch vorhanden ist, mehr als einen halben Kilometer.

Der Tourguide erklärt anschaulich an Modellen, dass der erste (Salomo) und zweite (Nehemia) Tempel, später der herodianische Tempel genannt, auf dem Berg Morija standen, wo Abraham seinen Sohn vermeintlich opfern sollte und dann nicht brauchte. Heute steht dort der Felsendom. Das Allerheiligste der beiden Tempel war genau dort, wo Abraham opferte. Es ist der für die Juden der „heiligste“ aller möglichen Plätze auf Erden. Das Problem ist:  genau dort steht heute der Felsendom. Genau dort? Ich frage ausdrücklich nach, da es auch andere Behauptungen gibt. „Ja, genau dort.“  Herodes war es, der den Tempelberg in seinen heutigen Ausmaßen angelegt hat, inklusive der Burg Antonia.

Dann geht es durch den langen Tunnel entlang fast der ganzen Westmauer. Im Gegensatz zum Jahr 2000, wo wir hier schon einmal waren, ist jetzt der Tunnel zum Gebet geöffnet. Die religiösen Juden können hier vom Platz vor der Westmauer ein und ausgehen, um unterirdisch an der freigelegten Mauer zu beten.

Auf den Tempelberg zu gehen ist den Juden selbst durch rabbinische Anweisung verboten, sie könnten ja den Platz des Allerheiligsten betreten. Das darf nicht sein, denn dorthin durfte nur der Hohepriester einmal im Jahr gehen. Am Besucheraufgang zum Tempelberg, den wir am Tag zuvor benutzt hatten, wird mit einem großen Schild ausdrücklich darauf hingewiesen.

Es gibt aber auch andere Bestrebungen. Aber dazu später mehr.

Also unternimmt man enorme Anstrengungen, um den religiösen Juden das Gebet möglichst nah am Allerheiligsten möglich zu machen. Und das ist eben im Tunnel. Hier ist ein immenser Betrieb von ein- und ausgehenden jüdischen Gläubigen, vornehmlich Frauen.

Der Tourguide macht auf die riesigen Ausmaße der Steine des herodianischen Tempels aufmerksam und auf die Techniken, wie man diese bewegt hat. „Es gab zur damaligen Zeit kein vergleichbares Gebäude auf der Erde“.

Umso verständlicher werden die Bibelworte, in denen den Jesusworten zum „Abriss“ des Tempels kopfschüttelndes Unverständnis bescheinigt wurde. Ja, man hatte die eigentliche Aussage von Jesus nicht verstanden  wie so oft im Leben.

Ich packe die Gelegenheit beim Schopf und will wissen, ob es – wie wir gehört haben – konkrete Pläne und Vorbereitungen für den Bau eines dritten Tempels gibt. Die Frage, so weiß ich, hat höchste Brisanz. Unser Guide will keine Antwort geben, er weicht aus: „Diese Tour beschäftigt sich allein mit den historischen Aspekten.“ Ich lasse nicht locker und frage persönlich nach: „Geh ins Tempel-Institut oberhalb der Westmauer und frage dort nach. Die befassen sich mit den religiösen Fragen. “ Spricht es und wendet sich den anderen Teilnehmern der Führung zu.


Zwei Tage später sind wir dort: Um 15 Uhr gibt es eine englische Führung. Die 25 Schekel pro Nase sind bestens investiert. Ausführlich wird die Ausstattung des Tempels, die Gewänder der Priester und der zeremonielle Ablauf erklärt. Obwohl das Institut nur drei kleinere Räume hat, lohnt sich der Besuch sehr, eine (englischsprachige) Führung sollte man aber nicht auslassen, wenn einen das Thema interessiert.

Die Dame, die die Tour leitet, ist sehr kompetent und weiß auch auf Detailnachfragen eine Antwort. Ja, die Tempelfrage. Die muss auch hier gestellt werden. Die Antwort ist ebenso ausweichend. Sie sagt es zwar nicht, aber wir verstehen: „Ich will (oder darf?) keine Antwort geben.“

Wir untersuchen die Aufgaben des Tempel-Instituts (temple.org.il) und die ausliegende Literatur. Das Institut arbeitet an der möglichst originalen Rekonstruktion von Gegenständen und beschreibt seine Aufgaben selbst so:

“The Temple Institute is dedicated to all aspects of the Divine commandment for Israel to build a house for G-d’s presence, the Holy Temple, on Mount Moriah in Jerusalem. The range of the Institute’s involvement with this concept includes education, research, activism, and actual preparation.”

Was wir in der Ausstellung sehen, reicht keineswegs für den “Betrieb” eines neuen Tempels. Leuchter, Räucheraltar und Schubrottisch sind fertig. Was an anderen Orten vorbereitet oder gelagert sein mag, ist für uns nicht herauszufinden. Dazu bekommen wir auch keine Auskunft.

In einer Pressemittelung des Tempel-Instituts über den soeben vergangenen Tisha B’Av lesen wir Interessantes. Dieser Tag wird regelmäßig von den „Tempel-Aktivisten“ genutzt, um – entgegen rabbinischer Anweisung – den Tempelberg zu besuchen. Es geht nämlich, wenn man sich entsprechend vorbereitet und auch ein paar Dinge beachtet, auch für den religiösen Juden, sagt Rabbi Chaim Richman vom Tempel-Institut.

Im Jahr 2011, also vor etwa einer Woche, so die Pressemeldung, sind etwa 500 bei diesem „Ausflug“ dabei. Die unvermeidlichen Konflikte mit der muslimischen Tempelbergverwaltung führen auch in diesem Jahr zu leichten bis mittelschweren Handgreiflichkeiten, so liest man. Die israelische Polizei sei untätig gewesen, meinen die Aktivisten.

Die Tempel-Aktivisten sind auf ihrer Homepage davon überzeugt, dass sich alles sehr schnell ändern kann und der Wiederaufbau des Tempels möglich ist. Die Frage bleibt spannend….

Die Kunstbanausen in der Mamilla

Mamilla – diese Einkaufsstraße (eröffnet 2007) in Jerusalem ist wirklich ein gelungenes Werk architektonischer Leistung. Harmonisch passt sie sich unterhalb des Jaffa-Gates in das Altstadtbild Jerusalems ein. Gratulation. (Zur Geschichte der Mamilla: http://en.wikipedia.org/wiki/Mamilla)

Während dieses Sommers ist eine Kunstausstellung in dieser Open-Air-Shopping-Mall aufgebaut. Biblische Geschichten und Gestalten (des alten Testaments) sind in Kunstwerke umgesetzt, tlw. sehr modern, tlw. abstrakt, tlw. sehr realistisch.

Eigentlich sind wir „Kunstbanausen“. Will heißen, dass es uns nicht in jede Kunstausstellung zieht und auch das nicht unser erstes Interessengebiet ist. Und wir verstehen von Kunst sehr wenig. Aber diese Ausstellung begeistert uns. Wir gehen immer wieder vorbei, schauen uns die Werke an, versuchen herauszufinden, um welche Szene es sich handelt (alles in Hebräisch beschriftet!) und halten die Werke fest.

Ein Besuch lohnt sich. Alle Kunstwerke können übrigens auch erworben werden… 🙂

Ein paar Kostproben. Durch Überfahren mit der Maus wird eine kurze Bildbeschreibung sichtbar gemacht. (to be continued)

Gute Aussichten bei den Österreichern

Die Österreicher sind für eine „gute Aussicht“ bekannt. Ihre hohen Berge tragen im Land selbst dazu bei. Das gilt auch in Jerusalem – im übertragenen Sinne.

Das österreichische Hospiz ist ein traditionsreiches Haus im arabischen Viertel. Aus Deutschland haben wir einen Tipp bekommen, dass die Aussicht auf die Altstadt vom Dach besonders gut wäre.

Wir klingeln. Die Uhrzeit ist günstig, die Nachmittagssonne taucht die Altstadt in ein warmes, fast abendliches Licht. Die Tür öffnet sich, ebenso das zweite Gitter.

Dach – das muss irgendwo oben sein. Wir reihen uns in den Strom der Gäste ein, die in das Haus kommen. Die Treppe rauf, noch eine, noch eine und noch eine. Alles ist frei zugänglich, keiner will etwas wissen. Wir haben gelernt an solchen Orten möglichst wenig zu fragen, sondern sich willkommen zu fühlen und zu warten, ob man gefragt wird.  Dann erreicht man meistens mehr…

Ein kleiner arabischer Junge will sich ein paar Schekel verdienen und bedeutet uns ihm zu folgen. Gebraucht hätten wir ihn eigentlich nicht.

Auf dem Dach angekommen sind wir dankbar für den Tipp: Wouw! Ein toller Ausblick über die ganze Altstadt von Jerusalem. Das Gold des Felsendoms glänzt in der Abendsonne.

Das kleine Kreuz am Dachrand hat es mir besonders angetan. Ich lichte es vor der Kulisse Jerusalems in allen möglichen Variationen ab.

Wir machen Potraits vor den Kulissen von Jerusalem. Aufpassen, dass die österreichische Fahne nicht wie ein Spieß aus dem Hirn herausragt. „Volltreffer“ – später bringt es der Computer an den Tag…

Danke Österreich! Ihr seid nette Nachbarn!

Flexibel, geduldig und ungestresst!

Wenn man Geduld und Flexibilität üben will, ist Jerusalem ein gutes Trainingsfeld. Dienstagmorgen. Wir entscheiden uns, mit dem Bus ans Tote Meer zu fahren. Wir kalkulieren, dass eine Stunde zum zentralen Busbahnhof ausreichend sein dürfte. Selbst, wenn wir vorher noch kurz auf dem Markt halten, um etwas zum Essen mitzunehmen. Plus 1:20 h nach Ein Gedi, sagt das Internet.

Um 10:30 Uhr soll der Bus nach Ein Gedi von der Central Bus Station gehen. Um 9:25 Uhr verabschieden wir uns von unserer Mitbewohnerin. Die Linie 32 scheint heute verfrüht in die Mittagspause gegangen zu sein. Lange kein Bus in Sicht. Endlich, nach mehr als 20 Minuten kommt die 32. Noch 40 Minuten bis Buffalo. Die Fahrt zur Ben Yehuda dauert heute fast 25 Minuten. Hupenbenutzung reichlich. Zu Fuß überholen wir an anderen Tagen manchen Bus spielend. Heute wäre es zeitweilig auch so.

  • 10:13 Uhr Wir brauchen noch etwas zum Essen. Reicht es für einen Stopp auf dem Markt? Ja, es muss reichen.
  • 10:18 Uhr Der Einkauf ist erledigt.
  • 10:19 Uhr Buslinie 23, fährst du zum Central Bus? Ja, ich fahre.
  • 10:20 Uhr Der Bus kann nicht abfahren. Ein Auto, das hier zu dieser Uhrzeit eigentlich nicht fahren darf, will rückwärts auf die Straße heraussetzen. Problem: auf beiden Straßenseiten stillstehender Busstau. Er muss zurück, da aus der Nebengasse ein weiteres Auto kommt. Huuup, huup. Das Chaos scheint perfekt. Drei Endlose Minuten, noch sieben Minuten bis Buffalo.
  • 10:23 Uhr Endlich geht’s weiter.
  • 10:24 Uhr Irgendwie dauert die Ampelphase heute besonders lang.
  • 10:27 Uhr Ankunft Central Bus
  • 10:28 Uhr Security Check am Eingang vom Central Bus. Dreimal muss ich es probieren durch den Scanner zu gehen. Erst vergesse ich das Handy in der Hose, dann noch den Fotoapparat in der Tasche, zum Schluss ist der Wohnungsschlüssel der Piepsverursacher.
  • 10:28:30 Uhr Vor dem Gepäckscanner ist heute eine besonders lange Schlange. Ich drücke den Rucksack in den Scanner. Leben ist hier nicht einfacher, als in Deutschland.
  • 10:30 Uhr Nur gut, dass ich weiß, an welchem Bahnsteig in diesem großen Gebäude der Bus abfährt.
  • 10:32 Uhr Ankunft am Terminal. Die Uhrzeit auf der Anzeigetafel blinkt schon, der Bus ist noch da, uff, uff, fährt gleich ab.
  • 10:32:15 Uhr Enttäuschung: Die Schlange der Mitfahrwilligen vor dem Bus ist lang, der Bus offensichtlich schon voll. Das war’s dann wohl gewesen. Alle Mühe umsonst… Der nächste Bus fährt erst in einer Stunde.
  • 10:33 Uhr Vielleicht passen wir ja doch noch rein.
  • 10:34 Uhr Auf dem Busbahnsteig daneben fährt ein anderer Bus ein, selbe Busnummer. Aaah, die sind hier jedenfalls sehr flexibel. Ein hohes Lob auf „Egged“.
  • 10:41 Uhr Wir sitzen im Bus. Der Fahrer verkauft noch ein paar Karten, während er – wie fast immer und in jedem Bus – schon fährt.
  • 10:43 Uhr Ich erwische das Egged-Bus-WLAN mit meinem Handy. Dann ist es weg.  Warum? An der nächsten Ampel habe ich es wieder. Neben uns steht der andere 486er Bus. Der hat WLAN, unserer keins. Schade, aber verkraftbar.
  • 11:05 Uhr Wir „donnern“ die Road 90 runter nach Jericho. Diese Busfahrer verstehen sich wirklich auf ihr Geschäft…
  • 12:02 Uhr Ein Gedi hat uns nach zwei Jahren Abstinenz wieder. 40 Grad im Schatten. Da braucht man wirklich ein Schattenplätzchen. Zum Glück sind noch ausreichend frei.

Busfahren in Jerusalem: Wer Geduld lernen will, hat hier ein gutes Übungsfeld. Aber: Vielleicht könnten die Manager der Deutschen Bahn hier in Sachen Flexibilität und Chaos-Management mal einen Fortbildungskurs besuchen…

 

Der Gebetsanliegenfeger

Wir lieben sie, die Klagemauer. Immer wieder sind wir während dieser Tage hier. Einfach dort sein, ein wenig abschalten, reflektieren, beten, beobachten. Ob Gott hier die Gebete besser hört? Der Jerusalem-Faktor mit besonderer Online-Schaltung? Keineswegs!

Aber der Ort ist trotzdem liebenswert für uns! Und er tut gut! Es hat etwas, hier ein paar Momente zu verweilen und zu beten. Schade nur, dass meine Frau in die „Frauenabteilung“ gehen muss. Eine Kippa aufsetzen? Kein Problem. Man kann sie sogar sammeln! Ich jedenfalls habe schon ein paar von den verschiedenen Besuchen. Die aktuellen Kippas aus Stoff mit dem Aufdruck „Western Wall Heritage“, die man sich hier frei nehmen kann, haben echten Souvenircharakter.  Sie halten auf meinen weniger werdenden Haaren sogar sehr gut. Vor zwei Jahren gab es Kippas aus Pappe. Der Jerusalemer Wind hat sie mir immer vom Kopf gefegt. Damals hieß es dann ‚Beten mit Handauflegung“ – auf den eigenen Kopf, versteht sich.

Ob tagsüber in der prallen Sonne oder abends – beleuchtet von grellen Scheinwerfern – hier ist immer etwas los. Abends natürlich mehr!

Die frommen Juden und vor allem die Touristen schreiben ihre Gebetsanliegen auf Zettel, die in die Wand gesteckt werden. Rabbi Pesach Raymon Yeshiva aus New Jersey in den USA hat gleich einen ganzen Umschlag voller Anliegen geschickt. Ich drücke ihn etwas beiseite, um den Aufdruck lesen zu können. Plumps. Da liegt er auf dem Boden. Ich hebe den Umschlag wieder auf und „befestige“ ihn in der Mauerspalte.

Was wird wohl mit den Zetteln gemacht, wenn sie herunterfallen oder es zu viele werden? Auf dem Boden liegen nämlich viele Zettel herum. „Die werden beerdigt“, raunt mir eine ältere Dame später bei einer anderen Gelegenheit ehrfurchtsvoll zu. Wirklich?

Der Western-Wall-Reinigungsdienst weckt mich aus meinen Gedanken. Stühle aufeinander stapeln, Gebetsbücher weg, Lesepulte wegräumen, Müll zusammenkehren. Müll? Das sind ja die Zettel mit den Gebetsanliegen, die da zusammengekehrt und in die Mülltonne geworfen werden. Nachdem ich den Reinigungsdienst fotografiert habe, deutet er mir an, dass er das nicht möchte. Das kann ich verstehen und veröffentliche das Foto deswegen hier nicht.

Wie gut, dass Gebete bei Gott nicht von Zetteln abhängig sind, sondern von unserem Herzen. Aufrichtig, das ist wichtig! So sind für ihn auch die „nichtbeerdigten“ Zettel in der Tonne des „Gebetsanliegenfegers“ kein Problem…

Wie gut!

Hänsel und Gretel in Bethlehem

„Möchtest du in Bethlehem preXXdiXXgeXXn?“ Ich brauche nicht lange, um diese Frage mit einem fröhlich-eindeutigen „JA“ zu beantworten. In Bethlehem preXXdiXXgeXXn zu können, passiert nicht jeden Tag.

Über die Straße nach Hebron kommen wir nach Bethlehem. Schade, dass es nicht anders geht als mit einer hohen Mauer. Die an Jerusalem grenzenden Gebiete unter palästinensischer Verwaltung sind aufgrund der Vorkommnisse der letzten beiden Jahrzehnte durch die Mauer abgetrennt. Seitdem ist es aber wesentlich ruhiger geworden. Ein Vorteil für beide Seiten. Eindeutig. Wir fühlen uns zu keinem Zeitpunkt unsicher, diesseits und auch jenseits der Mauer.

Israel konnte im Jerusalemer Stadtteil Gilo inzwischen auch Mauerteile wieder entfernen, die eine Art „zweiten“ Ring gegen Beschuss bedeutet hatten. Es ist kein erhebendes Gefühl an dieser Mauer zu stehen, das stimmt.  Alle Welt regt sich an diesem Punkt über Israel auf. Dabei wird leider vergessen, dass es an anderen Stellen ähnliche Einrichtungen gibt, wie der über 1000 km lange Zaun zwischen den USA und Mexico. Keine Mauer, aber effektiv – und „tödlicher“.  Dass ein Land seine eigenen Interessen und seine Leute schützt und schützen muss, sollte nicht vergessen werden. Das sage ich offen, auch wenn mir die Mauer an sich nicht gefällt.

Wir fahren weiter. Bethlehem ist nicht so „beschaulich“, wie es in fast jedem Krippenspiel wirkt. Das Leben pulsiert in dieser Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern.

„Ich preXXdiXXgeXX hier immer 35 Minuten, sonst schlafen die Araber ein“, sagt unser Begleiter. Das ist bei den hohen Temperaturen – trotz Klimaanlage – ein guter Tipp. „Du kannst die Stimme Gottes hören“! Anhand von Psalm 29 spreche ich über die Möglichkeit, die Stimme Gottes zu hören, was sie in unserem Leben bewirkt und wie wir reagieren können.

Nach dem Gottesdienst gibt es Kuchen und kalte Cola. Wir sind hier im „Haus des Friedens“, wie uns das Türschild aufklärt. Die Besucher sind eher älteren Jahrgangs, aber auch einige jüngere Gesichter sind dabei. Die Gemeinschaft ist sehr herzlich. Wenn Christen sich treffen, spielt nicht in erster Linie die Frage eine Rolle, woher wir kommen, sondern ob wir Jesus lieben. Das verbindet.

Schnell müssen wir nach Kuchen und kalter Cola zurück nach Jerusalem. Zwei Fotos, drei Bussis, „erzähle in Deutschland von unserem Hostel, das wir hier haben…“. Arabisch heftig geht’s auf den ersten Kilometern vorwärts.

Welcome to Jerusalem. Von innen an der Mauer prangt ein großes Schild. Auf dem Rückweg nehmen wir einen anderen Weg. „Die Bethlehemer haben mir den empfohlen“. Am Checkpoint ist Warten angesagt. Während von Jerusalemer Seite die Autos eins nach dem anderen herüberbrausen, geht bei uns „nichts“ voran. Doch, ab und zu. Vielleicht sind 5 bis 10 Autos vor uns. Für uns heißt es warten. Unser christlich-arabischer Autofahrer tippt etwas ungeduldig auf das Lenkrad, schaut zum Fenster raus. Da vorne tut sich wenig.

Nach einer gefühlt guten halben Stunde haben wir den Checkpoint erreicht. Heckklappe bitte auf. Der Pass der besten Ehefrau wird nicht benötigt. „Ach, aus Deutschland seid ihr“. „MP“ prangt deutlich lesbar auf der Schulterklappe, das MG hängt lässig herunter.

Eine wichtige Frage hätte er noch, was denn auf Deutsch „Henzel“ wäre. Das würde er noch unbedingt wissen. Ich verstehe nicht gut und frage nach. Der „MP“ versucht in gebrochenem Englisch zu erklären. „… und Greitellll“. Der Groschen fällt. Bereitwillig erkläre ich es ihm, wer Hänsel denn ist. Nicht nur bei Fragen an der Grenze bemühe ich mich immer sehr wahrheitsgetreu zu sein…  Die Schlange hinter uns ist wohl nicht kürzer geworden. Mir fällt das englische Wort für Märchen nicht gleich ein.

Vielleicht hätten wir ihm doch die ganze Geschichte noch ausführlicher erzählen sollen. Ach, fairytale war’s, richtig.

„Welcome to Jerusalem“. Von Bethlehem aus kommend hört sich das eher „fairytale-like“ an, zumindest in bestimmten Situationen.

Wirklich ein Schmelztiegel

Jerusalem ist wirklich ein Schmelztiegel. Hier prallt alles so stark und eng aufeinander.

Heute haben wir uns vorgenommen den Tempelberg zu besuchen. Es ist Ramadan und deswegen ist der Tempelberg nur von 7.30 Uhr bis 11 Uhr für Besucher geöffnet. Da wir wegen unseres Mietwagens sowieso früh unterwegs sein müssen, nutzen wir die Gelegenheit. Die Moscheen auf diesem Gelände sind seit der zweiten Intifada sowieso nicht mehr zugänglich.

Meine Dreiviertelhose ist akzeptiert, wir müssen uns kein „Röckchen“ kaufen, wie wir bei anderen sehen. Die Dimensionen dieser Anlage sind beeindruckend. Die Ausmaße stammen noch aus den Zeiten des Königs Herodes.

Auf dem Platz vor der Al Aksa Moschee gibt es einen Treppenniedergang. Zugang leider auch gesperrt. Was dort ist, wollen wir wissen. „Eine Moschee unterhalb des ganzen Platzes“, klärt man uns auf. Wahnsinn!

Überall sitzen kleine Gruppen. Die Frauen hier, die Männer dort. Gemeinsam werden Koranverse zitiert. So etwas hatte ich bisher nicht gesehen.  Was mich schon auf jüdischer Seite etwas irritiert hatte, finde ich auch hier: Der Mund ist bei der Sache, die Augen wandern sehr häufig über den ganzen Platz und zeugen von einem gewissen „Multitasking“. Und das vor allem bei den Männern, aber nicht nur.

Wenn Glaube sich nur auf den Mund beschränkt, ist es zu wenig.

Die goldene Kuppel strahlt an diesem Morgen leider nur begrenzt im Sonnenlicht. Unüblich für Jerusalem die vielen Wolken, die sich gesammelt haben. Vor dem goldenen Dach kicken einige muslimische Jungs mit dem Ball. Dass nicht gleich ein Wächter auf dem Tablett steht, wundert mich…

Wir versuchen uns zu orientieren. Wo ist die Klagemauer? Wir setzen uns auf die Steintreppe gegenüber hin und haben zeitnah den gleichen Gedanken: Wir beten hier für die Muslime. Das tun wir für einige Zeit.

Es ist kaum vorstellbar, dass auf der anderen Seite dieser Mauer, etliche Meter tiefer, die heiligste Gebetsstätte der Juden ist. Irgendwann wurden hier mal Steine auf die betenden Juden runtergeworfen, erinnern wir uns. Das geschah auch nicht „rein zufällig“. Das Gitter oben auf der Mauer gibt uns Orientierungshilfe, wo genau die „Western Wall“ ist. Eine halbe Stunde später schauen wir uns das noch einmal von der anderen Seite an.

Jerusalem ist wirklich ein Schmelztiegel, in dem alles zusammen kommt. Die christlichen Kirchen leisten hier auch ihren Beitrag, leider auch nicht immer nur positiv. Der Markt der (religiösen) Möglichkeiten hat in Jerusalem Hochkonjunktur.

Ob der dritte Tempel wohl gebaut wird?  Natürlich bewegt uns an diesem Ort diese Thematik. Wieder und wieder diskutieren wir verschiedene Aspekte dieser Frage. Hat Gott es „bewusst“ zugelassen, dass hier das drittheiligste Erbe für die Muslime gebaut wurde? Was wäre gewesen, wenn die Christen hier eine Kirche gebaut hätten?

Im Internet lese ich später, dass das Mitbringen von „andersreligiösen“ Büchern und andere als muslimische Gebete auf dem Tempelberg nicht erlaubt sind.

Zum Glück lassen sich Gebete in der Regel nicht kontrollieren. Auch nicht das Gideon-Testament meiner Frau und die Bibel in meinem Telefon…

Die „loser“ von Nazareth

Bist du auch ein „loser“? Ich verstehe, ich bin wohl einer, wenn ich der Botschaft direkt vor der „Verkündigungskirche“  in Nazareth Glauben schenken darf.

Nazareth liegt eigentlich malerisch. Unser Mietwagen hat die PS nicht sehr üppig unter der Haube, so „schnauft“ er ganz schön, um in die Heimatstadt von Jesus auf den Berg zu kommen. Wie gut, wer damals einen Esel gehabt hat. Etliche Orte liegen in diesem Land oben auf einem Berg. Das gilt für Jerusalem – und auch Nazareth. Von Nazareth ins Land hinein ist es ein einfacher Weg, da es „bergab“ geht. Auf der einen Seite in die Jesreel-Ebene, auf der anderen Seite nach Kana. Natürlich wird hier das erste Wunder Jesu ausreichend mit Hinweisschildern bedacht – und mit Souvenirläden.  Wer zu Jesu Zeiten nach Nazareth ging, der musste recht gut zu Fuß unterwegs sein…

„Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen“, hat man ja über Jesus gesagt. Und heute?

Nazareth ist überwiegend arabisch geprägt. An den Ladenschildern ist das eindeutig zu erkennen. Dass es in der Verkündigungskirche, der „christlichen Hauptattraktion“ von Nazareth, mehr um Maria, als um Jesus geht, stört mich auch. Die Glocken klingen trotzdem gut und eignen sich für ein kleines Video. Den Muslimen aber ist die christliche Präsenz in der Stadt grundsätzlich ein Dorn im Auge. Unterhalb der Verkündigungskirche sollte eine zentrale Moschee gebaut werden. Dort gibt es heute ein übergroßes Schild (Foto bitte durch Klick vergrößern!), das neben einer kleinen (eher symbolischen) Mini-Moschee aufgestellt ist.

Verlierer – wer nicht dem Islam anhängt. „Depp“ ist auch eine mögliche Übersetzung für „loser“. Provokant. Direkt vor einer „christlichen Gedenkstätte“. Man stelle sich vor, selbiges würde vor einer muslimischen Gedenkstätte geschehen… Das Chaos wäre perfekt.

Man muss den Hintergrund des Konfliktes wissen: Hier stand einstmals eine staatliche Schule, die von einer kommunistischen Mehrheit im Stadtrat vor der Jahrtausendwende zum Abriss freigegeben wurde. Unter dem Druck der Muslime genehmigte die israelische Regierung zunächst den Bau einer Moschee an dieser Stelle.

Jetzt steht an dieser Stelle eine „Mini-Moschee – und das Schild. Überall im Land wird einem bewusst, wie sensibel das „Gleichgewicht“ der Religionen ist. Dieses Land gut zu regieren, ist ein Meisterstück, unabhängig von der Frage der palästinensischen Autonomiegebiete.  Beten wir für Weisheit für die Regierung von Israel!

Mein Gebet für die Moslems gerade jetzt während des Ramadans ist, dass sie eine Offenbarung über Jesus bekommen und erkennen, wann man wirklich ein „loser“ ist…