Ist Jesus der Chef in deinem Lebensboot?

Sonntag, 23.00 Uhr. Wir haben den Abendgottesdienst beendet und noch gemeinsam zu Abend gegessen. Die Luft ist klar und keine Wolke am dunklen südafrikanischen Himmel zu sehen. Aber das Sternbild, das ist „umwerfend“. Natürlich ist es anders, als in der nördlichen Hemisphäre, aber die Fülle der am Himmel zu sehenden Sterne inklusive der sich deutlich abzeichnenden Milchstraße, ist einfach umwerfend. Trotz 15 Sekunden Belichtungszeit und Stativ kann die Digi-Cam diesen Eindruck nur schwach festhalten. Schade. Ich werde an Abraham und die Verheißung der zahlreichen Nachkommen erinnert. Auch hier erleben wir, wie Menschen zu “Nachkommen Abrahams”, dem Vater des Glaubens, werden.

Das Zelt ist heute wieder gut gefüllt. Manche kommen mittlerweile etwas später, aber zur Predigt strömen sie immer herbei. Es gibt immer noch unbesetzte Stühle, aber viele scheinen regelmäßig zu kommen, einige Gesichter sind mir sogar schon vertraut. Heute kommt mein Anzug zum Einsatz. Zum Predigen muss man hier pikobello sein, auch im afrikanischen Hinterland. Die Schuhe werden mir vorher noch vom Team geputzt, da ich die Schuhcreme (um nicht zu viel Gepäck zu haben) vorher extra ausgepackt habe, welch ein Fehler.

„We welcome the man of God from Germany“. Mit eloquenten Beschreibungen sparen die Afrikaner ungerne. Kräftiger Applaus. Auf der Bühne fühle ich mich wohl, das Predigen geht – trotz Englisch – einfach und leicht. „Ist Jesus der Chef in deinem Lebensboot?“ Markus 6 ist die Grundlage meiner Predigt. Die Botschaft muss einfach zu verstehen sein. „Wir sind ein evangelistischer Dienst“, sagt B. und schwimmt damit voll in seiner Berufung. “Du musst zu Jesus rufen, dass er dich rettet, egal wie groß der Sturm in deinem Leben ist”.

Im Team fühle ich mich absolut nicht als Fremdkörper, bin eingebunden, finde jegliche Unterstützung, die ich brauche. Wir fließen gemeinsam!  S., der sich in den letzten Tagen in den Mittagsteachings zu „meinem“ Übersetzer gemausert hat, macht seine Sache richtig gut. B. ist begeistert, hier ein neues Talent entdeckt zu haben. Das entlastet BnK., der sonst immer übersetzt, enorm.

Obwohl es schon der siebente Tag der Evangelisation ist, reagieren auch heute Menschen auf die Einladung, zum Kreuz Christi zu kommen. Auch heute sind die Ordner und Seelsorger der Gemeinde da, um den Menschen zu dienen. Auch der Pastor der benachbarten Gemeinde ist wieder da und dient mit. Er wird den Menschen bekannt gemacht, damit sie einen Ansprechpartner haben, wenn das Team nicht mehr da ist.

Montag, 7:00 Uhr. Wir sind unterwegs zur Underberg Forge Ralph Hardingham High School, wie ein großes Schild am Eingang verkündigt, Natodraht sichert das Gelände, abgeschlossen und mit einem Wächter bewacht. Unser Team hat eine Einladung, dort zu dienen. Die Sonne brennt bereits vom Himmel herunter. Wir sitzen im Büro der Direktorin. Ich verdrehe ein wenig den Kopf, um lesen zu können, was an der Tafel des Direktoriums steht.  „Devotion“  (Andacht) steht an jedem Tag auf dem Stundenplan. Ich kann es kaum fassen. Über 700 Schüler stehen dichtgedrängt auf dem Innenhof, Schuluniform ist hier genauso Pflicht, wie an anderen südafrikanischen Schulen. Einer unserer Teammitglieder predigt klar das Evangelium und wir haben Gelegenheit in das Zelt einzuladen.

Eine andere Übersicht weckt meine Aufmerksamkeit. Da sind die Ergebnisse der 12. Abgangsklasse verzeichnet. In jedem Jahr, so lese ich in der Statistik über 10 Jahre, schaffen 25 bis 52 % der Schüler die Abschlussprüfung nicht. Die Direktorin ist dankbar, dass wir gekommen sind. „Im März, wenn die Prüfungen beginnen, leiden viele Kinder unter den negativen Einflüssen des Ahnenkults und des Geisterglaubens. Damit haben wir sehr zu kämpfen.“  Sie sind dann paralysiert, dass sie sich schreiend zu Boden werfen und die Abschlussprüfungen nicht schreiben können. Innerlich bin zornig über diese Tatsache. Wir beten für die Kinder. In Afrika gehen die Uhren anders. In jeder Hinsicht. Gern würde ich an dieser Stelle mehr schreiben, kann es und will es aber nicht…

Unser Team tritt gemächlich den Rückweg in der mittlerweile brütend heißen Sonne an. In einiger Entfernung ist unser Zelt gut zu sehen. Ein Foto mit dem Team davor, das muss sein. Das “Schneckentempo” ist mir zu lahm und so gehe ich mit BnK. schneller voran. “Das bin ich von B. gewohnt”, lächelt er. Ob wir wohl mal in eine afrikanische Rundhütte reinschauen können?  BnK. fragt einfach über den Zaun weg und wir können. Ich bestaune das mit Kohlen gefüllte afrikanische Bügeleisen. Außer ein paar Strohmatten gibt es einen kleinen Herd mit Geschirr und ein paar Hühner hüpfen herum. „Dieser afrikanische Mann hat zwei Frauen“, erklärt mir BnK. hinterher. Woran hast du das gemerkt, will ich wissen? Es gab auf dem Gelände zwei Küchen, daran eben. Jede Frau hat ihre eigene… In Gemeinden ist das nicht üblich, aber viele Männer haben hier mehrere Frauen.

„Daheim“ ist wieder Waschtag und Haare schneiden angesagt. Durch den lange dauernden Schuleinsatz zieht sich heute alles sehr in die Länge. Auch die deutschen Haare müssen etwas gekürzt werden, notdürftig.. Die Afrikaner setzen mit ihrer Null-Millimeter-Rasur-Variante auf die einfachere Bearbeitungsweise.

Im Mittagsteaching geht es heute um eine umgehende Reaktion auf den Auftrag Jesu. „Wenn Jesus uns ruft, sollen wir gleich reagieren“, so wie die Jünger es taten. Das Bibelstudium mit der Gruppe macht mir großen Spaß. Auch heute sind etliche Frauen gekommen. Als ich sie abschließend zum Gebet einlade, kommen ausnahmslos alle nach vorne. Wieder sind mehrere Babies in der Decke auf dem Rücken dabei.

Nach dem Studium sitzen wir als Team noch etwas relaxt im Zelt, wg. der Hitze kann man sich nicht viel bewegen. Einer der Afrikaner hat seine Füße auf den Stuhl vor sich gelegt. „Ooh, ihr habt ja helle Fußsohlen“, fällt mir auf. Warum ist das bloß so? Keine Ahnung, vielleicht, weil sie sich sonst auf dem heißen Boden eher die Füße verbrennen würden? Ich verspreche, darüber nachzusinnen, vielleicht kriege ich ja etwas raus….

Im Gebetszelt ist die Lampenverkabelung defekt. Ich erinnere mich an meine rudimentären Elektrikerkenntnisse – und bringe die Lampe wieder zum Laufen. Auf dem Missionsfeld sind praktische Grundkenntnisse in vielen Bereichen von großem Nutzen, konstatiere ich…

Am Nachmittag suche ich für die Bearbeitung meiner älteren Lehrkonzepte – inzwischen ein sehr umfangreicher Schatz, mit dem ich mich im „normalen Alltag“ kaum beschäftigen kann, hier aber zwischendrin dazu immer wieder Zeit finde – den Schatten des großen Zeltes auf. B. fragt mich, ob ich gutes Material für eine weitere Nacharbeit nach der Evangelisation dabei hätte. Er überlegt, das kleine Gebetszelt nicht abzubauen, sondern noch für eine weitere Woche dazulassen, dazu entsprechend Teammitglieder. Spontan nenne ich ihm einige Möglichkeiten, die ich in meiner Sammlung dabei habe. „Kopiere sie mir doch auf mein Handy“, das will ich gerne tun, wenn ich diesen Blog hochlade.

Zwei Jungs kommen nahe zum Zelt. Sie kommen von der Schule, wo wir heute morgen waren. Der eine hält ein Buch hoch, das ich heute morgen im Büro der Direktorin gesehen habe. In gebrochenem Englisch gibt er mir zu verstehen, dass er morgen eine Prüfung hat und morgen gerne vor der Schule zum Gebet vorbeikommen würde. 7:10 Uhr will er da sein – und ich hoffentlich wach….