Wirklich ein Schmelztiegel

Jerusalem ist wirklich ein Schmelztiegel. Hier prallt alles so stark und eng aufeinander.

Heute haben wir uns vorgenommen den Tempelberg zu besuchen. Es ist Ramadan und deswegen ist der Tempelberg nur von 7.30 Uhr bis 11 Uhr für Besucher geöffnet. Da wir wegen unseres Mietwagens sowieso früh unterwegs sein müssen, nutzen wir die Gelegenheit. Die Moscheen auf diesem Gelände sind seit der zweiten Intifada sowieso nicht mehr zugänglich.

Meine Dreiviertelhose ist akzeptiert, wir müssen uns kein „Röckchen“ kaufen, wie wir bei anderen sehen. Die Dimensionen dieser Anlage sind beeindruckend. Die Ausmaße stammen noch aus den Zeiten des Königs Herodes.

Auf dem Platz vor der Al Aksa Moschee gibt es einen Treppenniedergang. Zugang leider auch gesperrt. Was dort ist, wollen wir wissen. „Eine Moschee unterhalb des ganzen Platzes“, klärt man uns auf. Wahnsinn!

Überall sitzen kleine Gruppen. Die Frauen hier, die Männer dort. Gemeinsam werden Koranverse zitiert. So etwas hatte ich bisher nicht gesehen.  Was mich schon auf jüdischer Seite etwas irritiert hatte, finde ich auch hier: Der Mund ist bei der Sache, die Augen wandern sehr häufig über den ganzen Platz und zeugen von einem gewissen „Multitasking“. Und das vor allem bei den Männern, aber nicht nur.

Wenn Glaube sich nur auf den Mund beschränkt, ist es zu wenig.

Die goldene Kuppel strahlt an diesem Morgen leider nur begrenzt im Sonnenlicht. Unüblich für Jerusalem die vielen Wolken, die sich gesammelt haben. Vor dem goldenen Dach kicken einige muslimische Jungs mit dem Ball. Dass nicht gleich ein Wächter auf dem Tablett steht, wundert mich…

Wir versuchen uns zu orientieren. Wo ist die Klagemauer? Wir setzen uns auf die Steintreppe gegenüber hin und haben zeitnah den gleichen Gedanken: Wir beten hier für die Muslime. Das tun wir für einige Zeit.

Es ist kaum vorstellbar, dass auf der anderen Seite dieser Mauer, etliche Meter tiefer, die heiligste Gebetsstätte der Juden ist. Irgendwann wurden hier mal Steine auf die betenden Juden runtergeworfen, erinnern wir uns. Das geschah auch nicht „rein zufällig“. Das Gitter oben auf der Mauer gibt uns Orientierungshilfe, wo genau die „Western Wall“ ist. Eine halbe Stunde später schauen wir uns das noch einmal von der anderen Seite an.

Jerusalem ist wirklich ein Schmelztiegel, in dem alles zusammen kommt. Die christlichen Kirchen leisten hier auch ihren Beitrag, leider auch nicht immer nur positiv. Der Markt der (religiösen) Möglichkeiten hat in Jerusalem Hochkonjunktur.

Ob der dritte Tempel wohl gebaut wird?  Natürlich bewegt uns an diesem Ort diese Thematik. Wieder und wieder diskutieren wir verschiedene Aspekte dieser Frage. Hat Gott es „bewusst“ zugelassen, dass hier das drittheiligste Erbe für die Muslime gebaut wurde? Was wäre gewesen, wenn die Christen hier eine Kirche gebaut hätten?

Im Internet lese ich später, dass das Mitbringen von „andersreligiösen“ Büchern und andere als muslimische Gebete auf dem Tempelberg nicht erlaubt sind.

Zum Glück lassen sich Gebete in der Regel nicht kontrollieren. Auch nicht das Gideon-Testament meiner Frau und die Bibel in meinem Telefon…

Die „loser“ von Nazareth

Bist du auch ein „loser“? Ich verstehe, ich bin wohl einer, wenn ich der Botschaft direkt vor der „Verkündigungskirche“  in Nazareth Glauben schenken darf.

Nazareth liegt eigentlich malerisch. Unser Mietwagen hat die PS nicht sehr üppig unter der Haube, so „schnauft“ er ganz schön, um in die Heimatstadt von Jesus auf den Berg zu kommen. Wie gut, wer damals einen Esel gehabt hat. Etliche Orte liegen in diesem Land oben auf einem Berg. Das gilt für Jerusalem – und auch Nazareth. Von Nazareth ins Land hinein ist es ein einfacher Weg, da es „bergab“ geht. Auf der einen Seite in die Jesreel-Ebene, auf der anderen Seite nach Kana. Natürlich wird hier das erste Wunder Jesu ausreichend mit Hinweisschildern bedacht – und mit Souvenirläden.  Wer zu Jesu Zeiten nach Nazareth ging, der musste recht gut zu Fuß unterwegs sein…

„Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen“, hat man ja über Jesus gesagt. Und heute?

Nazareth ist überwiegend arabisch geprägt. An den Ladenschildern ist das eindeutig zu erkennen. Dass es in der Verkündigungskirche, der „christlichen Hauptattraktion“ von Nazareth, mehr um Maria, als um Jesus geht, stört mich auch. Die Glocken klingen trotzdem gut und eignen sich für ein kleines Video. Den Muslimen aber ist die christliche Präsenz in der Stadt grundsätzlich ein Dorn im Auge. Unterhalb der Verkündigungskirche sollte eine zentrale Moschee gebaut werden. Dort gibt es heute ein übergroßes Schild (Foto bitte durch Klick vergrößern!), das neben einer kleinen (eher symbolischen) Mini-Moschee aufgestellt ist.

Verlierer – wer nicht dem Islam anhängt. „Depp“ ist auch eine mögliche Übersetzung für „loser“. Provokant. Direkt vor einer „christlichen Gedenkstätte“. Man stelle sich vor, selbiges würde vor einer muslimischen Gedenkstätte geschehen… Das Chaos wäre perfekt.

Man muss den Hintergrund des Konfliktes wissen: Hier stand einstmals eine staatliche Schule, die von einer kommunistischen Mehrheit im Stadtrat vor der Jahrtausendwende zum Abriss freigegeben wurde. Unter dem Druck der Muslime genehmigte die israelische Regierung zunächst den Bau einer Moschee an dieser Stelle.

Jetzt steht an dieser Stelle eine „Mini-Moschee – und das Schild. Überall im Land wird einem bewusst, wie sensibel das „Gleichgewicht“ der Religionen ist. Dieses Land gut zu regieren, ist ein Meisterstück, unabhängig von der Frage der palästinensischen Autonomiegebiete.  Beten wir für Weisheit für die Regierung von Israel!

Mein Gebet für die Moslems gerade jetzt während des Ramadans ist, dass sie eine Offenbarung über Jesus bekommen und erkennen, wann man wirklich ein „loser“ ist…

Pay half – get double: Pizzavermeeeeeehrung in Netanya

Kauf drei und bekomme eins frei! Das Werbemotto findet man in Israel in größeren Geschäften nicht selten.

Samstagabend, der Schabbat ist zu Ende. Das Leben erwacht wieder. Wir sind auf dem Weg von Tiberias über Nazareth nach Jerusalem zurück. Na klar, wir wollen noch mal ans Mittelmeer. Baden um 21 Uhr in Netanya. Das Wasser ist badewannenwarm, die Brandung mahnt zur Vorsicht. Trotzdem – wir trauen uns. Super.

Anschließend haben wir Hunger. Während auf dem zentralen Platz in Netanya eine Demo in Verbindung mit den landesweiten Protesten gegen Wohnungsnot und hohe Lebenshaltungskosten ihren Lauf nimmt, bestellen wir Pizza. Beim Pizza-Service mit kleiner Bar dabei. Der Laden scheint gut zu laufen. Hochbetrieb, alle Momente fährt ein Motorroller mit Pizza-Lieferung los.

Zehn Minuten würde es dauern, der Preis mit einem großen eisgekühlten Getränk nach Wahl für drei ist akzeptabel, ich bezahle mit Kreditkarte. Als nach einer halben Stunde immer noch keine Pizza in Sicht ist, aber haufenweise Motorroller abgefahren sind, frage ich vorsichtig mal nach. Man will ja nicht ungeduldig wirken, aber die Nachbarn neben uns haben auch schon bekommen, obwohl sie wesentlich später kommen.

X  hinter der Theke fragt Y, Y fragt Z, Z wendet sich per Zuruf an X.  Man zuckt mit den Schultern. Keine Ahnung. Vergessen? Weiß nicht. Man windet sich. Ich werde energischer, das ist für mich nicht akzeptabel. Man meint hier einfach, das aussitzen zu können. Ich werde etwas deutlicher, immer noch betont höflich.

Schließlich merkt man, dass der deutsche Tourist sich nicht „abspeisen“ lässt. Ok, ok, wir geben uns Mühe. In fünf Minuten ist es soweit. Man drückt mir die Hälfte des Pizza-Preises als „Entschädigung“ in bar in die Hand.

Einverstanden! Ich frage noch nach einem weiteren kleinen Getränk. Kostenlos. Auch einverstanden.

In fünf Minuten ist die Pizza tätsächlich auf unserem Tisch. Der Belag entspricht zwar nicht wirklich dem, was wir bestellt haben, aber sie schmeckt ausgezeichnet. Wir sind zufrieden.

Als die Pizza halb in unserem Magen versenkt ist, kommt der „Verursacher“ und fragt mach, ob alles ok wäre. Ja, alles bestens. Pizza gut, Cola kalt…

Er hätte da noch eine Pizza, ob wir dafür Verwendung hätten. Free!

Ich fackele nicht lange. Ja, haben wir.

Die Reste der Pizza schmecken am kommenden Abend noch gut – aufgewärmt.

Pizzavermeeeeeehrung in Netanya: Pay half – get double. Warum nicht auch mal so…