Ich bin manchmal vergesslich. Ob’s an der 5 vorne liegt? Ich weiß es nicht. Im ELAL-Flieger lasse ich sie im Handgepäckfach liegen: meine rote Jacke. Lange hat sie mich begleitet. Als es mir einfällt, wäre sie vielleicht noch mit großer Mühe wieder zu haben gewesen, aber Jerusalem hat ja auch Geschäfte. Es ist einfach Zeit für etwas Neues.
Und außerdem ist es hier so warm, dass man Jacken fast nicht braucht. Doch, manchmal, wenn der abendliche Wind durch die Häuser pfeift und man ein wenig durchgeschwitzt ist, braucht man sie doch, die Jacke.
Paulus vergaß auch mal seinen Mantel. In Troas. Bei Karpus (2. Tim. 4,13). Zum Glück hatte er Timotheus, der ihn bringen konnte. Den haben wir hier leider nicht dabei. Ich sehe es fast mehr als Führung. Eine neue Jacke wäre sowieso fällig gewesen. Manchmal muss man etwas vergessen, hinter sich lassen, um zu etwas Neuem zu gelangen. Auch das kommt mir von Paulus nicht unbekannt vor.
In diesem Sinne bin ich gerne vergesslich…
Jerusalem hat uns wieder. Ja, der große Apostel war hier auch. Damals gab’s noch kein Internet, in dem man hätte bloggen können. Er hätte es sicher auch gemacht.
In der Altstadt finde ich mich am ersten Abend auf Anhieb ohne Karte wieder zurecht. Die Muslime strömen aus irgendeiner Moschee gegen 23 Uhr noch gen Damaskus-Gate. Ramadan hat begonnen. Die arabischen Kinder nebenan nutzen den auf Abfuhr wartenden Müll des Tages zu einer kleinen Straßenschlacht, in die wir fast verwickelt werden. Beim ersten Deal der Reise zahlen wir zu viel. Sei’s d’rum. Das ist halt auch Jerusalem.
An der Klagemauer sitzen und von den eifrig betenden Juden selbst zum Gebet inspiriert zu werden, ist einfach klasse. Da die Frauen eine separate Abteilung haben, haben wir einen Treffpunkt ausgemacht. Die Zeit bis zum Treffen vergeht viel zu schnell, finde ich.
„Die Rabbis haben ihr Gebet schon erledigt“, hatte meine bessere Hälfte die an der Wand am Münchner Flughafen Betenden kommentiert. Laut und ungeniert, wie auch hier an der Klagemauer. Das Gebet schwillt an. „Amen, Amen“ wird das Gebet durch die anderen spontan kommentiert. Niemand stört sich, dass ich anders bin. Ein respektvolles Nebeneinander, so lange man selbst zu Respekt bereit ist. Auch das ist Israel.
Auf der Toilette im Münchner Flughafen treffe ich Reuven aus der Nähe von Tel Aviv. Früher Delegierter vom KKL ist er jetzt für SOS-Kinderdörfer unterwegs. Wir kennen uns etliche Jahre. „Ruf mich gerne an, wenn du in Israel bist, ich stehe dir zur Verfügung“, konstatiert er.
Mal sehen, was diese, so ungeplant über uns hereingebrochene Reise alles bringen wird…