Montag, 18:30 Uhr. Der Himmel ist bewölkt. Punkt halb sieben soll der erste Abend der „Crusade“, wie die Afrikaner zu sagen pflegen, beginnen. Genau vier Gäste sind gekommen: Ein Ehepaar, eine Jugendliche und ein Kind… Na, das fängt ja gut an…
Der Tag ist ausgefüllt mit verschiedensten Vorbereitungen. Missionar B. ist unterwegs, um für den LKW drei neue Reifen zu kaufen. Kostenpunkt 600 EUR. Der erste Reifensatz, der beim Kauf dabei war, war nicht der beste. Ausserdem muss der Verstärker für die mobile Anlage dringend repariert werden und der Mietwagen zurückgegeben werden. So ist er schon früh am morgen unterwegs.
Das Team beginnt den Tag wieder mit einer Gebetszeit. Im weißen Zelt sammeln wir uns regelmäßig zum Gebet. „Gebet“ heißt bei den Afrikanern fast nur, dass alle gemeinsam beten – lautstark versteht sich. Manchmal hält sich das gemeinsame Gebet sehr lange, manchmal werden sie auch schnell “müde”. Mittags gibt es wieder Gebet und Lehre. Ebenso treffen wir uns eine Stunde vor der Versammlung zum Gebet. Dabei wird das Zelt „durchwandert“ und der Abend im Gebet Gott geweiht.
Die Zeit dazwischen ist mit den alltäglichen Arbeiten des Zeltlagers gut ausgefüllt. Ein Team kümmert sich um das regelmäßige Holen des Wassers, die Anlage muss jeden Tag auf- und abgebaut werden, der Müll verbrannt werden, das Zelt hergerichtet werden. Aus dem Gebetszelt dringt die laute Gebetsstimme des einheimischen Predigers, der sich dort auf den Abend vorbereitet.
In der kleinen Caravan-Vorzeltküche wird das Essen vorbereitet, und dann muss gebügelt werden. Bügeln: Ja, ganz wichtig. Auch dafür ist der Generator wichtig. Die Kleidung muss bei den Afrikanern im Gottesdienst (und selbst bei der Fahrt in die Stadt) picobello sein. Wenn gebügelt wird, hört man das am Geräusch des Generators, der dann etwas „in die Knie“ geht.
Zwischendrin streunen immer wieder Ziegen und Hunde an unseren Zelten vorbei, um zu sehen, was es hier „Schönes“ gibt. Heute hat die Schule auf dem Gelände neben uns wieder Betrieb. Viele Kinder strömen aus allen weit verstreuten Ecken dieser Ortschaft zusammen. Im Chor wird Gelerntes lautstark aufgesagt, so dass es bis in mein Zelt dringt.
18:10 Uhr: Nach dem Gebet wird der Generator in Betrieb genommen, die Anlage angeworfen und die Vorbereitungen sind soweit abgeschlossen. 18:20 Uhr: Mit Blick auf die drohenden Wolken entscheidet der einheimische Teamleiter, dass der Generator noch ins Gebetszelt gestellt werden soll, damit ein möglicher Regen die Veranstaltung nicht unterbrechen würde. Eine weise Entscheidung. Allerdings findet der Generator das nicht so gut – und bedankt sich damit, dass er erstmal nicht wieder anspringt. Endlich springt er doch an, um dann zwei Minuten später wieder das Stromnetz zusammenbrechen zu lassen. Was ist jetzt los? Es scheint einen Kurzschluss gegeben zu haben. Es gibt zwei Stromkreise, wir haben eine Chance von 50 Prozent. Kurzerhand ziehe ich das Kabel des Caravan-Kreises aus dem Generator heraus – und liege mit dieser Vermutung richtig. Sofort ist der Strom wieder stabil. Die Evangelisation kann „stromlich“ problemlos starten.
Halb sieben. Also, vier Leute da. Wie soll ich bloß meine Fotos für meine Blog-Leser machen? Ich bin ein wenig enttäuscht. Soll das wirklich so schleppend laufen? Aber eigentlich kenne ich die „afrikanische Pünktlichkeit“ ja durchaus von meinen Besuchen in den Münchner afrikanischen Gemeinden.
Die Band beginnt mit acht Minuten Verzögerung zu spielen, im Umkreis von mindestens einem Kilometer oder mehr bekommt man jetzt mit, dass hier „etwas los“ ist. Zu dritt ist das einheimische Team auf der Bühne – und macht seine Sache richtig gut.
Zehn vor sieben. Inzwischen hat sich die Zahl der Besucher auf 30 gesteigert, um sieben Uhr dürften es bereits gute 60 sein, vielleicht etwas weniger. Die Stimmung im Zelt steigt, Bewegung und Tanz gehört hier mit größter Selbstverständlichkeit dazu. Man begrüßt sich freundlich, ja, im Dorf kennt man sich, auch wenn die Schwarzen für mich alle ziemlich ähnlich aussehen. Auf dem Boden neben mir in einem Fell schläft ein Baby.
Dann setzt ein richtiger „Run“ ein. Obwohl es langsam zu regnen beginnt, strömen von allen Seiten Leute herbei, manche werden mit Autos gebracht. Also auch die gibt es hier.
Mehr als anderthalb Stunden dauert das Vorprogramm. Gegen Ende desselben ist das Zelt fast zur Hälfte gefüllt. Mehr als 250 dürften inzwischen hier sein. BnK., B.s rechte Hand, ist begeistert. „Wenn das so weiter geht, haben wir am Ende der Woche ein volles Zelt.“ Für mich ist es absolut erstaunlich, wie hier „in the middle of nowhere“ so viele Menschen zu einer Zeltevangelisation kommen. Wie anders wäre das in Deutschland…
Zum Ende des Vorprogramms kommt auch Evenglist B. von der „Tagesreise Radwechsel“ zurück. Es hat beim Reifenhändler fast drei Stunden gedauert, und „wenn ich nicht zum Schluss daneben gestanden hätte und Druck gemacht hätte, wäre noch mehr Zeit vergangen“, wird er mir später berichten.
Heute Abend predigt M. in der Landessprache der Zulu. Davon gibt es auch einige verschiedene Arten, aber er braucht hier keinen Übersetzer. Sein Thema ist einfach: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich“ aus Lukas 1,37. Da ich keinen persönlichen Übersetzer habe, geht der Inhalt der Predigt an mir vorbei, nicht aber an den Zuhörern. Gespannt folgen sie dem Prediger, der auf der Bühne ebenso lautstark wie bewegungsreich agiert. Die Menschen gehen mit, reagieren. Sie sind es gewohnt, nicht stumm da zu sitzen, sondern sie zeigen viel Reaktion. Aufstehen, Hände hoch, laut rufen. Hinsetzen.
Beim Aufruf am Schluss entscheidet sich eine gute Zahl von Menschen, dem Aufruf zu folgen ihr Leben Jesus zu geben. Das Team betet mit ihnen. Später wird es noch einen Bibelkurs für sie geben, aber das erst im Laufe der Evangelisation. Das ist der Grund, warum wir hier sind. Die Menschen hier sollen das Wort Gottes hören und Jesus kennen lernen. Eben, was sie brauchen, ist das Evangelium. Ich bin begeistert die Schlichtheit und Einfachheit mitzuerleben, aber wie stark die Menschen reagieren. Klasse!
Mit ein paar Ankündigungen endet der erste Abend der Evangelisation. Über den Start ist das Team sehr erfreut. Es formiert sich zum Abschluss in einer kleinen Gebetsrunde vor der Bühne, an den Händen anfassend wird Gott für den Abend gedankt. „Lasst uns nicht müde werden für diese Menschen zu beten, wir brauchen für unser Gebet unbedingt die Leitung des Heiligen Geistes,” ermutigt B. sein Team.
Da der Generator noch läuft, nutze ich die Gelegenheit, um die aktuellen Fotos auf meinen Laptop zu sichern. Eigentlich will ich an diesem Abend noch ein paar Mails via Handy absetzen, aber dazu kommt es nicht. Über dem Crusade-Geländer geht ein Gewitter nieder, das sich gewaschen hat. Der Sturm fegt über das Gelände und rüttelt heftig am Zelt, aber das ist „im guten Boden“ fest verankert und kommt selbst mit diesen starken Winden gut klar. Der Regen prasselt auf das Zeltdach und innerhalb kürzester Zeit dringt das Wasser unter den Seitenwänden durch und kommt in das Zelt hinein. Der Graben, der am Tag vorher gegraben wurde, ist gefüllt wie ein kleiner Strom und leitet das Wasser ab. An allen Ecken dringt das Wasser in das Zelt ein. Meine Gedanken sind bei den Menschen, die jetzt womöglich noch auf dem Heimweg sind. Hoffentlich lassen sie sich morgen nicht abhalten.
Ich gehe betend durch das Zelt. Nach etwa 30 Minuten ist alles wieder ruhig und wir können zu Abend essen. Auch in meinem Zelt ist nur ein wenig Wasser eingedrungen, was ich aber mit Hilfe einer kleinen Medizin-Spritze gut abpumpen kann.
Ein voller Tag geht zu Ende. Müde kuschele ich mich in meine „doppelte Decke“ – voller Erwartung für den nächsten Tag. Um 3:30 Uhr werde ich von einem “sehr dringenden Bedürfnis” geweckt. Das zwiebelreiche Essen hat sich seinen Weg gebahnt. Wie gut, dass ich mir in Pietermaritzburg noch eine LED-Stirntaschenlampe gekauft habe.
Uff, gerade noch durch die Dunkelheit zur Blechhütte geschafft…