Ich finde es ab und zu sehr interessant zu sehen, welches Wort zum „Wort des Jahres“ gewählt wird, weil durch diese Wahl gesellschaftliche Entwicklungen ihren Ausdruck finden. „Postfaktisch“ hat in diesem Jahr das „Rennen“ gemacht. Am Freitag hörte ich davon im Autoradio. Das Wort hatte ich bis dahin noch nicht gehört.
Also las ich bei Tagesschau.de nach: „Immer größere Bevölkerungsschichten sind in ihrem Widerwillen gegen ‚die da oben‘ bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen bereitwillig zu akzeptieren“, heißt es in der Begründung. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Peter Schlobinski, räumte ein, dass „postfaktisch“ etwas akademisch klinge und noch keinen Eingang in die Umgangssprache gefunden habe. So heißt es auf der Internetseite der Tagesschau. (http://www.tagesschau.de/inland/wort-des-jahres-101.html)
Auf internationaler Ebene, so erfuhr ich weiter, war kurz zuvor das Wort „Post-truth“ durch das „Oxford dictionary“ zum Wort des Jahres 2016 gewählt worden. Das beschreibt den Sachverhalt eigentlich noch genauer. Man bewegt sich „nach“ oder außerhalb der „Wahrheit“.
Dass „Wahrheit“ in den letzten Jahren eine immer geringere Bedeutung bekommen hat, ist sicher vielen schon aufgefallen. Alles scheint relativ geworden zu sein, „Wahrheit“ wird mehr und mehr durch die eigene Sicht der Dinge ersetzt und abgelöst. Die Kommentatoren nehmen weltweit wahr, dass Menschen zunehmend Fakten ignorieren und ihre Entscheidungen anhand eigener subjektiver Maßstäbe treffen. Das wird mit „postfaktisch“ und „post-truth“ ziemlich gut beschrieben.
Gibt es überhaupt „die Wahrheit“? Nein, meinen viele!
Jesus sagt von sich, dass er die „Wahrheit“ ist (Joh. 14,6) und als er vor Pilatus steht, betont er, dass er in die Welt gekommen ist, um für die Wahrheit Zeugnis zu geben. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Joh. 18, 37+38). Postwendend stellt Pilatus ihm die Frage, die auch heute viele Menschen bewegt: „Was ist Wahrheit?“.
Jesus lässt Pilatus gegenüber diese Frage weiter unbeantwortet, beantwortet sie aber in seiner eigenen Person. In dem wir an ihn glauben, schließt Wahrheit sich für uns auf.
Wahrheit ist aus meiner Sicht nur durch einen festen Bezugspunkt zu definieren. Worauf beziehe ich meine Werte, Schwerpunkte und Sichtweisen? Wenn ich diesen Bezugspunkt nicht habe, bewege ich mich freischwebend im Raum.
Advent und Weihnachten sagt mir: Jesus ist in diese Welt gekommen, er selbst ist die Wahrheit und gibt Zeugnis für die Wahrheit. Das ist für mich ein fester Bezugspunkt. Wenn ich mein Leben an diesem Bezugspunkt verankere, habe ich einen festen Halt, der mir hilft, auch die „normalen“ Dinge des Lebens gesund, realistisch, ehrlich, offen, unvoreingenommen – und nicht postfaktisch – einzuschätzen.
In diesem Sinne: Einen gesegneten dritten Advent!