Ein Zulu-Huhn für zehn – Oder: Zehn Jahre Südafrika!

Die Überraschung gelingt perfekt: „Nichtsahnend“ kommt Evangelist B. am Freitagabend in das Versammlungszelt. Das Team hat eine kleine „Jubiläumsfeier“ für den Evangelisten vorbereitet, alles „hinter seinem Rücken“. 10 Jahre Dienstjubiläum in Südafrika, wenn das kein Anlass für eine kleine öffentliche Wertschätzung ist? Und sie gelingt – nahezu perfekt. Zehn Jahre – das war zwar schon im Dezember, aber dies ist die erste Evangelisation danach und der Besuch aus Deutschland, nicht nur aus diesem Anlass, ist eine willkommene Gelegenheit für die kleine Feier.

Heute sind die ersten Gottesdienstbesucher schon um 18:00 Uhr da und warten geduldig auf den Beginn der Versammlung. In der gerade zu Ende gegangenen Gebetsversammlung haben wir besonders um Schutz für das Team gebetet, da es, so wurde uns zugetragen, im Dorf negative Gerüchte über das Evangelisationsteam gibt. B. macht dem Team Mut, gerade jetzt nicht innerlich zurückzustecken, sondern mutig voran zu gehen.

Ende 2001 fängt der Dienst von K. und B. in Südafrika an. Zunächst mit einem kleinen Zelt, das auch heute noch ab und zu im Einsatz ist. Dieses Zelt hat zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Einsätze in der Münchner Hochhausstadt Neuperlach, einem echten städtischen Brennpunkt, hinter sich und geht per Container nach Südafrika. Der Dienst wächst und im Jahr 2010 kommt das größere, heutige Zelt dazu, das bis zu 1200 Zuhörern Platz bietet. Hier in der ländlichen Situation haben wir aus verschiedenen Gründen nur die „halbe Größe“ aufgebaut, die den Versammlungsbesuch auch gut aufnehmen kann.

„Du bist nicht nur ein Evangelist und Leiter, du bist wie ein Vater zu uns“. BnK, der afrikanische Teamleiter, der heute auch predigen wird, gibt Einblick in sein Innerstes. Die Wertschätzung kommt voll an. Grüße aus Deutschland, kleine Geschenke, die viel an innerer Verbindung ausdrücken. Die zehn Kerzen auf dem Jubiläumskuchen bläst der Evangelist spielend mit einem Schlag aus.

Vier und mehr Evangelisationen pro Jahr, so berichtet mir das Team, werden mit dem Zelt durchgeführt, in der Regel dann noch eine Nacharbeit. Dabei spielt das Team eine ganz wichtige Rolle. Der Evangelist kann seine Arbeit nicht ohne das Team ausführen – und das Team nicht ohne ihn. Ich bin sehr froh, dass ich meinen Besuch nicht nur für wenige Tage angesetzt habe, sondern mir insgesamt drei Wochen Zeit dafür genommen habe. So habe ich, abzüglich Reisezeit, ausreichend Gelegenheit und Zeit, die Arbeit wirklich kennenzulernen. Und während dieser Tage ist eine echte Freundschaft zum Team entstanden.

In eine Decke gehüllt, die er von der Teammutti M. und ihrem Mann als Geschenk bekommen hat, sitzt B. auf der Bühne. Die Szene strahlt einen Hauch von Gemütlichkeit aus. Aus der Menge kommen einzelne „afrikanische Mummys“ nach vorne, die ihre traditionellen Geschenke bringen. Mehrere Strohmatten, Reisigbesen, eine Vase und andere Gaben werden unter dem Jubel der Menge nach vorne gebracht. Einige kommen und werfen Geldscheine als Geschenk auf die Bühne dazu – jede Kultur hat ihre eigene Ausdrucksform von Wertschätzung.

Mir hat die Teammutti ein Flugzeug als Geschenk für B. mitgebracht. Die liebt er, meint sie. „Möge euer Dienst in neue Dimensionen aufsteigen“, ist mein Wunsch. Auch ich darf die Bühne nicht ohne Geschenke verlassen. Eine kleine südafrikanische Fahne freut mich besonders, „I love South Africa“. Das meine ich von Herzen. Als der „Master of Ceremony“ mit der Menge beim 10. „We love Germany“ ist, schreibe ich das doch eher der afrikanisch leichten Begeisterungsfähigkeit zu.

Doch auch heute sollen nicht einzelne Menschen im Vordergrund stehen, sondern das Evangelium. Auch in der Verkündigung ist Teamarbeit gefragt. Nicht nur der Evangelist selbst predigt, sondern auch andere Teammitglieder – es geht eben um die Inhalte, nicht um die Personen. BnK, die „rechte Hand“ von Evangelist B., predigt heute. Der Besuch ist inzwischen zahlenmäßig wieder gewachsen, nachdem er im Laufe der Woche etwas unter der regnerischen Witterung gelitten hat. Auch am heutigen Abend folgen etliche dem Aufruf zur Entscheidung für Jesus. Das ist und bleibt das Herzstück der Evangelisation.

Die Zeugnisse, die auch heute gegeben werden, zeugen von dem, was Gott an den Menschen getan hat. Auch die gute Beteiligung am Grundkurs ist ein Zeichen der Frucht. „Nun wollen wir die Menschen noch mit Bibeln versorgen,“ sagt der Evangelist und ist dankbar für die Münchner Zusagen für die Beschaffung von Bibeln, die in der Zwischenzeit per eMail eingetroffen sind. So will ich mich persönlich noch um die Beschaffung derselben kümmern. Mit der Bibelgesellschaft sind wir bereits in Kontakt. Auch heute beten wir für die Kranken, die zahlreich nach vorne kommen. Von den Ergebnissen aber haben wir bisher zu wenig gehört, moniere ich innerlich.

„Können wir noch ein Foto gemeinsam machen, Pastor Frank?“ X-mal höre ich diese Frage. Natürlich können wir. Diesmal habe ich „nur“ etwa 2100 Bilder gemacht, verdächtig wenig. Geduldig schieben wir 500 davon verkleinert per Bluetooth auf die Handys der Teammitglieder rüber. „Die lade ich alle per Handy auf mein Facebook hoch“. Na, wer sagt’s denn, dass Afrika rückständig ist…

Das “Geschenk des Abends” ist ein fertig zubereitetes Huhn, das nach der Versammlung vom Team in höchster Genüßlichkeit gemeinsam verzehrt wird. Während man bei uns zu zweit ein Hähnchen locker verspeisen kann, reicht hier das ganze Tier für zehn Personen – und alle werden satt. „Die Dame hat uns ihr bestes Huhn geschenkt“, meint M. und hält einen Beinknochen hoch. „Das war ein echtes kräftiges Zulu-Huhn“. Der Kuchen, inzwischen ohne Kerzen, ist der krönende Abschluss des Abends. S., mein Übersetzer, leckt genüsslich die Kuchenplatte ab. Allerdings verringert sich durch die opulente Mahlzeit die Schlafqualität meiner letzten Zeltnacht.

Eine ausgebüchste Kuhherde sorgt des Nachts noch etwas für Unruhe im Lager. Den Tieren gefällt besonders unser Wäscheständer. Das Schnaufen der Kühe ist deutlich durch  meine  Zeltwand zu hören. Dann stolpert die Kuh noch über meine Zeltseile…

Ein letztes Mal das Plumpsklo genießen, um 5:30 Uhr Koffer packen. Die afrikanische Mummy aus der Strohhütte winkt mir „Guten Morgen“ zu, die Klopapierrolle in der Hand, während der andere Nachbar versucht mit dem Solar-Panel die Batterie seines betagten Autos aufzuladen. „Oooh, das ist ein schmerzlicher Abschied“, meint T., der kleinste im Team, der sich immer um die Neubekehrten kümmert. „Wir haben viel von deinen Teachings mitnehmen können“. M, der Keyboarder ist sonst eher ein ganz stiller, „aber ein ganz Treuer“, meint der Evangelist.

Herzliche Umarmung, dann geht die Reise mit dem LKW los. LKW? Ja, der Pickup ist noch in der Reparatur, deswegen liegen mind. 6 Stunden Fahrt mit dem LKW vor uns. Geht nicht anders. Die 22 Kilometer „Gravel-Road“ (Schotterstraße) schaffen wir mit dem unbeladenen LKW in 1:15 h, das ist rekordverdächtig. “Immer, wenn ich die Evangelisation kurzzeitig verlassen muss, fällt mir das schwer und mein Herz bleibt hier…” B. spricht ein wenig wehmütig. So ist das eben, wenn man eine Berufung hat!

Ich freue mich auf die Duschmöglichkeit in der H’s „Missionszentrale“. Greytown steht für Sonntag auf dem Programm: Predigt in der Heimatgemeinde der H’s. „Dann lernst du nochmal ein anderes Südafrika kennen“, meint B. und steuert den Truck mit viel Gefühl und Erfahrung sicher über die vom Regen mega-aufgeweichte Gravel-Road. „Neulich wäre ich hier fast nicht hochgekommen“.

Über die Dörfer durch Townships geht es in die Großstadt Pietermaritzburg. Die kleinen Taxi-Toyota-Busse, fast das einzige funktionierende öffentliche Verkehrsmittel, liefern sich ein Rennen nach dem anderen. Vorbei an Slum-Vierteln und prunktvollen Villen, der Kontrast könnte nicht größer sein.

Südafrika ist eben anders – so und so!